Steinkohlekraftwerk in Lünen blockiert

Klimaaktivisten fordern ein Ende des Steinkohleimports / Mit 20 Kanus blockieren sie Hafen am Datteln-Hamm-Kanal

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit 20 Kanus blockieren Aktivisten des Bündnisses "DeCOALonize" den Hafen am Datteln-Hamm-Kanal, um den Kohleausstieg auch aus der Steinkohle zu thematisieren.
Mit 20 Kanus blockieren Aktivisten des Bündnisses "DeCOALonize" den Hafen am Datteln-Hamm-Kanal, um den Kohleausstieg auch aus der Steinkohle zu thematisieren.

Aktivisten des Bündnisses »DeCOALonize Europe« haben am Freitag Kohlekraftwerke in Hamburg und Lünen bei Dortmund blockiert. Sie wollen die Lieferkette der Kohle unterbrechen und auf die miserablen Zustände in den Abbauländern aufmerksam machen.

Kohleprotest, das war in Deutschland in den letzten Jahren meist der Protest gegen die Braunkohlegruben im Rheinland, in der Lausitz und im Leipziger Land. Über Steinkohle spricht fast niemand mehr. In Bottrop wurde die letzte deutsche Zeche im Dezember 2018 geschlossen. Schicht im Schacht ist aber noch lange nicht.

Über 20 reine Steinkohlekraftwerke verbrennen weiterhin den Rohstoff. Sie liegen in ganz Deutschland und werden mit Kohle aus der ganzen Welt beliefert. Und diese Lieferkette ist es, die die Aktivisten des Bündnisses »DeCOALonize Europe« stören wollen. Sie sehen den globalen Steinkohlehandel als »Paradebeispiel imperialer Ausbeutung«. Rohstoffe und Profite nähmen den gleichen Weg, in den »globalen Norden«, während in den Abbauregionen Umweltzerstörung, Vertreibung, Mord und Zerstörung von Lebensgrundlagen zum Alltag gehörten.

Mit 20 Kanus schipperten die Anti-Kohle-Aktivisten bei Lünen den Datteln-Hamm-Kanal und sorgten dafür, dass der Hafen des Trianel-Kraftwerks von Kohlefrachtern nicht mehr angelaufen werden konnte. Zwei weitere Aktivistengruppen besetzten den Kohlebunker des Kraftwerks und einen Verladekran.

Bei der Blockade des von der STEAG betriebenen aber im Besitz des Stadtwerke-Zusammenschlusses »Trianel« befindliche Kraftwerk Lünen-Stummhafen ist auch die aus Kolumbien stammende Aktivistin Maria Fernanda Herrera Paloma anwesend. Sie spricht vom Leid in den kolumbianischen Kohleregionen. Indigene Gemeinschaften würden zerstört, die Umwelt massiv belastet. Paramilitärs ermordeten in der Vergangenheit Kohlekritiker und Gewerkschafter aus den Kohleminen. »Deutschland muss jetzt aus der Kohle aussteigen!«, so die Aktivistin.

Im Jahr 2018 importierte Deutschland 3,8 Millionen Tonnen Kohle aus Kolumbien. Der größte Tagebau in dem südamerikanischen Land, El Cerrejón erstreckt sich auf 69.000 Hektar. Eine Fläche fast so groß wie die Stadt Hamburg. Die Kohle aus Kolumbien landet in den niederländischen Hochseehäfen und wird dann über Binnenschiffe den Rhein herunter in das Ruhrgebiet und bis nach Süddeutschland verschifft.

Im Lüner Kraftwerk wurden im letzten Jahr 1,4 Millionen Tonnen Kohle verfeuert. Der benachbarte Hafen in Lünen nimmt unter den Binnenhäfen für Kohle den dritten Platz hinter Duisburg und Mannheim ein. Die Kohle wird dann in den Kraftwerken zum Beispiel von RWE und der STEAG verfeuert. Zu Kohleimporten gibt es von beiden Unternehmen vor allem schöne Worte.

RWE führt seine Mitgliedschaft in der Initiative »Better Coal« aus. Der Konzern teilt mit, es habe sich an »Audits« und Gutachten beteiligt und sei mit »Kohleproduzenten und kritischer Zivilgesellschaft« im Dialog, um »weitere Ansatzpunkte für eine positive Entwicklung« zu finden. Dafür sei man zum Beispiel im April 2018 Teil einer Delegation in Kolumbien gewesen.

Die STEAG ist nicht Teil der »Better Coal« Initiative. Man habe ein eigenes »Screening« entwickelt um »Unregelmäßigkeiten« nachzugehen und sie abzustellen. Mit dem zweitgrößten Kohleproduzent Kolumbiens »Drummond« arbeite man nicht mehr zusammen, da es detaillierte Vorwürfe gäbe, dass das Unternehmen eine »Mitverantwortung für die Vertreibung von mehreren zehntausend und die Ermordung von mehreren tausend Menschen« durch Paramilitärs habe.

Den Klimaaktivisten von »Decoalonize Europe« reicht das nicht aus. Neben Kolumbien stehen auch die Kohleimporte aus den USA, wo ganze Bergkuppen für den Kohleabbau gesprengt werden und Russland, wo der Abbau mit Vertreibungen und Gesundheitsschäden für Anwohner einhergeht, in der Kritik des Bündnisses. Allgemein müsse Schluss sein mit der Verstromung von Braun- und Steinkohle, dies gebiete schon allein der Klimaschutz.

Wer etwas dafür tun könnte? Zahlreiche Kommunen. Das blockierte Kraftwerk in Lünen ist im Besitz von über 30 Gesellschaftern. Überwiegend Stadtwerken. Auch die »STEAG« gehört zu 51 Prozent Stadtwerken. Beteiligungen haben etwa die Städte Dortmund und Essen. Die außerdem größere Pakete von RWE-Aktien besitzen. Ihren Einfluss, der für ein schnelleres Ende der Kohle in Deutschland sorgen könnte, machen sie bisher nicht geltend.

Auch am restlichen Wochenende sind noch Aktionen geplant. In Hamburg wurde seit dem Vormittag die Kattwykbrücke die zum Kraftwerk Moorburg führt blockiert. Durch die Blockade konnte die Hubbrücke nicht hochfahren und Kohlefrachter das Kraftwerk nicht erreichen. Hamburg ist besonders wichtig für den Import russischer Kohle.

Alexandra Korolewa, Leiterin der russischen Umweltorganisation EcoDefense sagt in einer Solidaritätsbotschaft: »Die Menschen hier müssen handeln und von der deutschen Regierung fordern, sofort aus der Kohle auszusteigen. Die Importe aus Russland müssen beendet werden. Wir können nicht zehn oder zwanzig Jahre länger warten.« Korolewa beantragte im Juni in Deutschland politisches Asyl, da sie wie viele weitere Umweltschützer in Russland bedroht wird.

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