Die angekündigte Revolution ist da!

Wolffs Müllabfuhr zu den PR-Phrasen der Autoindustrie

  • Tim Wolff
  • Lesedauer: 3 Min.

Vom »Top-Spot« (Branchen-Sprech) der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« wird Großes angekündigt: »Eine Revolution steht vor der Tür. Nur hat sie noch nicht wirklich begonnen. Aber sie ist angekündigt.« Oh, eine angekündigte Revolution. Wer macht denn sowas? »Von Volkswagen zum Beispiel.« Und Audi - denn die sind laut Überschrift »auf Aufholjagd mit 20 neuen Elektromodellen«.

Ach so, so eine Revolution ist das. »Schon in naher Zukunft sollen wir alle elektrisch fahren, das Modellangebot wird entsprechend um- und ausgebaut, der Kunde wird weniger gefragt. Dass nicht alles so schnell gehen wird mit der Ausbreitung der Elektromobilität, wie es manche Autohersteller sich vorstellen, scheint sicher.« Der Revolutionsbegriff der Werbeindustrie, hier in Form eines Artikels eines Boris Schmidt, Redakteur im »FAZ«-Ressort »Technik und Motor«, ist einer der vielen Ausweise des totalen Siegs des Kapitalismus. Wie selbstverständlich hier ein Sprachröhrchen des weltbeherrschenden Wirtschaftssystems sinnlos einen Begriff verwendet, der mal die Überwindung jenes beschreiben sollte, zeugt von reiner Sorglosigkeit. Noch nicht einmal die Klimakatastrophe und all die Teufel, die seine Kollegen für die gute deutsche Autoindustrie an die Wand malen, erschüttern so einen Schmidt auch nur ein klitzekleinwenig in der Gewissheit, dass er seinen Lebensunterhalt weiter mit dem Ausschmücken von Kraftfahrzeugbroschüren wird verdienen können.

»Nichtsdestotrotz geht jetzt auch Audi voran, beziehungsweise folgt der Mutter auf dem Fuß. Audi starte jetzt in das elektrische Zeitalter, ließ der Autohersteller in dieser Woche die Medien in München wissen.« Autohersteller, die Majestäten der BRD, lassen Medien wissen - nämlich, was sie zu schreiben haben. Und diese schreiben vor allem den Pressetext ab: »Bis 2025 sollen 30 neue, elektrifizierte Modelle vorgestellt werden, davon wiederum - und das ist die wichtigere Zahl - sind 20 rein elektrisch. Wobei es sich nicht wirklich um 20 verschiedene Audis handeln wird, sondern um 20 Versionen von vielleicht fünf oder sechs Modellen. Gleichzeitig werden alle konventionellen Fahrzeuge im Angebot (Benziner und Diesel) als Mild-Hybride ausgestaltet, mit 12- oder 48-Volt-Bordnetz.« Ja, das ist sie, die angekündigte Revolution: dass irgendwelche Karren eines deutschen Konzerns irgendwann mal bisschen elektrisch fahren. Und der Revolutionär in mir will hier schreien: Alle an die Wand! Also all die Autos, frontal - mit all den Technik-und-Motor-Journalisten drin.

Aber was bringt es? Denn: »Begonnen hat die Zukunft ja schon.« Die Zukunft, die aus der angekündigten Revolution besteht, bei der nicht alles so schnell gehen wird. »Der erste rein elektrische Audi, das große SUV E-Tron, läuft seit geraumer Zeit in Brüssel vom Band.« Danach folgt das übliche Technik-Geschwätz des Testers, bei dem Begriffskompetenz Erkenntnis ersetzt, die Details das Grundsätzliche vernebeln.

Es braucht keine Klimakatastrophe, um den Kapitalismus als ein Arbeitskraft und Verstand bis zur restlosen Dummheit verwertendes System zu erkennen, es reichen bescheuerte Audis und die Presselakaien, die sie preisen. Der Klimawandel mag zwar die Widersprüche verschärfen und trägt sie zuweilen bis in die bürgerliche Presse. Doch wann immer man Hoffnung haben könnte, dass wenigstens innerhalb dieses Systems ein Minimum an Änderung zum Besseren geben könnte, also zur Abschwächung der Katastrophe, die bei der Ausbeutung der Natur für E-Tron-SUV zwangsläufig ist, reicht ein Blick in Autotests und man kann sie fahren lassen.

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