Gewehr, Sprengsätze, Kampfuniform

Schwer bewaffnete Männer verüben in Halle (Saale) einen Anschlag auf eine Synagoge. Die Polizei nimmt einen mutmaßlichen Täter fest

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) sprach am Mittwochnachmittag von einer »Amoklage«. Er hat den Stab für Außergewöhnliche Ereignisse einberufen, nachdem mehrere Männer vor der Synagoge in Halle mit einem Maschinengewehr auf Menschen geschossen hatten. Dabei waren zwei Menschen getötet worden.

Ein Augenzeuge berichtete, dass einer der Täter auch Gegenstände über die Mauer des nahe gelegenen jüdischen Friedhofs geworfen und es daraufhin mehrere Detonationen gegeben habe. Mindestens einer der Angreifer soll eine militärische Kampfuniform getragen und »mehrere Waffen« gehabt haben. Ein Video der Tat, das am Mittwoch kursierte, zeigt offenbar einen Teil des Angriffs. Zu sehen ist darauf ein Mann in einer dunklen polizeiartigen Uniform mit Schutzhelm, der aus einem Auto steigt und offenbar mit einer Schrotflinte schießt.

Lesen Sie hier: Seehofer: Angriff auf Synagoge hat rechtsextremen Hintergrund.

Laut Polizeiangaben starb eine Frau in der Humboldtstraße rund 30 Meter von der Synagoge entfernt. Das andere Opfer - ein Mann - befand sich gerade in einem nahe gelegenen Dönerladen in der Ludwig-Wucherer-Straße, als ihn die tödlichen Schüsse trafen. Ein Zeuge berichtete dem Fernsehsender n-tv, dass ein mit Sturmmaske und Helm bekleideter Mann mit einem Sturmgewehr in den Imbiss geschossen hatte. Zuvor habe der Angreifer eine Art Sprengsatz geworfen, der aber an der Fassade abgeprallt und explodiert sei. In dem Dönerimbiss hätten sich insgesamt fünf bis sechs Gäste aufgehalten, sagte der Zeuge. Er selbst habe sich in der Toilette versteckt.

Zwei Menschen erlitten bei den Angriffen Schussverletzungen. Sie wurden in das Universitätsklinikum eingeliefert und sogleich operiert. Ob Lebensgefahr bestand, war bis Redaktionsschluss unklar.

Die Täter sollen versucht haben, in die Synagoge einzudringen. Max Privorotzki, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle erklärte gegenüber »Spiegel Online«, dass die Sicherungsvorkehrungen am Eingang »dem Angriff standgehalten« hätten. Zum Tatzeitpunkt gegen 12 Uhr hätten sich etwa 70 bis 80 Personen zum Gebet in der Synagoge befunden. Der Anschlag in Halle fiel auf Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag.

Die Polizei fahndete sofort »mit Hochdruck« nach den mutmaßlichen Tätern, die in einem Auto auf der Flucht waren. Schwer bewaffnete Einsatzkräfte durchkämmten das Paulusviertel im Norden von Halle.

Am frühen Nachmittag meldete die Polizei dann die Festnahme einer Person. Die »Bild«-Zeitung berichtete, dass einer der Täter auf der B 91 zwischen Deuben und Werschen (Burgenlandkreis) einen Unfall mit einem Lkw gehabt habe. In seinem Wagen sollen sich laut »Bild« weitere Waffen befunden haben.

»Bleiben Sie trotzdem weiterhin wachsam«, twitterte die Polizei und rief die Bevölkerung auf, in ihren Wohnungen oder an ihrem Arbeitsplatz zu bleiben. Auch das mobile Warn- und Informationssystem Katwarn wendete sich mit einer »Gefahrendurchsage« an die Bevölkerung. »Gebäude und Wohnungen nicht verlassen. Von Fenster(n) und Türen fern bleiben!«

In welche Richtung die Täter flüchteten, war zunächst nicht bekannt. Der Hauptbahnhof wurde wegen des Polizeieinsatzes gesperrt, wie die Bahn mitteilte. Auch der Nahverkehrsbetrieb stellte seinen Liniendienst ein. Halle stand still.

Das Lagezentrum der Landesregierung warnte am frühen Nachmittag vor einem »Schusswaffengebrauch im Bereich Landsberg«, rund 15 Kilometer östlich von Halle. Anwohner wurden dort ebenfalls aufgefordert, Gebäude und Wohnungen nicht zu verlassen. Zu den näheren Umständen des Vorfalls in dem Ort im Saalekreis wollte sie zunächst nichts sagen.

Die Bundespolizei verstärkte derweil ihre Kontrollen an Bahnhöfen und Flughäfen in ganz Mitteldeutschland. Das gelte auch für die Verkehrswege nach Polen und Tschechien, teilte die Bundespolizei Mitteldeutschland mit.

In Leipzig sollte trotz der Gefahrensituation am Abend das Lichtfest mit Zehntausenden Teilnehmern stattfinden, um an die friedliche Revolution in der DDR zu erinnern. Auch der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt sich in der sächsischen Stadt auf. Das Sicherheitskonzept sei auch auf Geschehnisse wie in Halle vorbereitet, teilte die Polizei mit. Die Zahl der Einsatzkräfte sei erhöht worden. Es gebe aktuell aber keine Bedrohungslage, hieß es.

Die Hintergründe der tödlichen Schüsse waren laut Bundesinnenministerium zunächst unklar. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen, wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte. Sie ermittele wegen Mordes von besonderer Bedeutung. Ein antisemitisches Motiv konnte bislang noch nicht bestätigt werden. Mit Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.