Polen lassen weiter durchregieren

Rechtskonservative PiS kommt erneut auf absolute Mehrheit im Parlament

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die große Überraschung blieb aus: die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat die polnische Parlamentswahl von Sonntag klar gewonnen. Mit knapp 44 Prozent der Stimmen verfehlte die Partei von Ministerpräsident und Spitzenkandidat Mateusz Morawiecki zwar die absolute Mehrheit. Das Ergebnis reicht trotzdem, um allein zu regieren - die PiS erhält 239 von 460 Sitzen im Sejm. Lediglich im Senat konnte die Nationalkonservativen ihre absolute Mehrheit nach Berechnungen des Fernsehsenders TVN und der Gruppe Sonar knapp nicht verteidigen. Dort errang sie als stärkste Kraft 48 der insgesamt 100 Sitze.

Morawiecki sieht sich angesichts des Wahlausgangs in seinem Kurs bestätigt. Seine Partei werde das Land weiter nach dem ausgerufenen Motto »dobra zmiana« (guter Wandel) umgestalten. Dem PiS-Vorsitzenden und früheren Regierungschef, Jarosław Kaczyński, war das Ergebnis noch zu wenig. »Wir haben haben viel erreicht, doch wir verdienen mehr«, sagte Kaczyński vor seinen Anhängern und beschwerte sich darüber, dass seine Partei gegen eine »riesige Front« habe ankämpfen müssen.

Nach einer Prognose vom frühen Montagmorgen hat sich die PiS um sieben Prozentpunkte gegenüber 2015 verbessert. Die liberalkonservative Bürgerkoalition (KO), zu der die ehemalige Regierungspartei Bürgerplattform gehört, ist stärkste Oppositionskraft. Sie kam auf 27,4 Prozent. Ihr Chef, Grzegorz Schetyna, beklagte, die Wahl sei nicht fair gewesen. Der politische Gegner habe sich nicht an ehrliche Methoden gehalten. Schetyna kritisierte damit offenbar indirekt, dass die PiS Staatsmedien nutzte, um sich zu profilieren und ihre Kontrahenten zu diffamieren. Die Bürgerplattform gibt sich dennoch kämpferisch: »Die Präsidentschaftswahl liegt vor uns, und diese werden wir gewinnen. Das versprechen wir«, sagte Schetyna noch am Wahlabend mit Blick auf den nächsten nationalen Urnengang im kommenden Jahr.

Neben den beiden großen Parteien werden drei weitere Fraktionen im nächsten Sejm vertreten sein. Die konservative Koalition der Bauernpartei PSL erhielt 9,1 Prozent der Stimmen. Zudem übersprang die Rechtsaußenpartei Konföderation vom ehemaligen Europaabgeordneten Janusz Korwin-Mikke mit 6,4 Prozent die Sperrklausel.

Den ausgelassensten Jubel gab es indes bei Lewica. Mit 12,4 Prozent ziehen die Linken, die unter der Fahne der sozialdemokratischen SLD (Bündnis der Demokratischen Linken) antraten, als drittstärkste Kraft in den Sejm ein. Ein immenser Erfolg, nachdem die linken Kräfte 2015 noch zersplittert angetreten waren und den Parlamentseinzug verpassten. »Ihr Lieben, wir kehren ins Parlament zurück, dorthin, wo immer der Platz der Linken war, in den Tempel der Demokratie«, freute sich Robert Biedroń vor seinen Anhängern. Biedroń, Gründer der Partei Wiosna (Frühling), ist als erster offen homosexueller Bürgermeister in Polen neben dem Chef von Razem (Gemeinsam), Adrian Zandberg, das Gesicht des Erfolgs. Er versprach eine konstruktive Parlamentsarbeit: »Wir werden die Verfassung verteidigen - vom ersten bis zum letzten Artikel«, so Biedron.

Sowohl das gute Abschneiden von Lewica als auch jenes der PiS zeigen, wie weit die politischen Pole zwischen konservativ und progressiv, erzkatholisch und liberal, nationalistisch und aufgeschlossen auseinanderliegen. Der einstige Präsident Aleksander Kwaśniewski resümiert denn auch im polnischen Nachrichtensender TVN24: »Die polnische Gesellschaft ist sehr, sehr tief gespalten.« Als Hoffnungsschimmer werten Experten dagegen die Wahlbeteiligung. 61 Prozent der insgesamt 30 Millionen Wahlberechtigten stimmten am Sonntag ab - ein Rekordwert in Polen seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Vor vier Jahren lag der Wert noch bei knapp über 50 Prozent.

Außenpolitisch wird erwartet, dass die PiS ihren harten Kurs gegenüber Brüssel und den europäischen Partnern fortsetzen wird. So rechnen Beobachter mit der Fortführung der Justizreform, gegen die die EU-Kommission bereits mehrfach vor den Europäischen Gerichtshof gezogen ist. In der Flüchtlingspolitik blockiert Polen zudem eine europäische Einigung zur Verteilung der Geflüchteten unter den EU-Mitgliedsstaaten.

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