Rettungstopf für Demokratie

Im Abgeordnetenhaus wird über »Erste Hilfe« für Berliner Initiativen nachgedacht

  • Florian Daetz
  • Lesedauer: 3 Min.

»Gerade jetzt darf die Bundespolitik nicht an Demokratieförderung sparen, sie war nie notwendiger als jetzt.« So kommentiert Ferda Ataman vom post-migrantischen Verein »neue deutsche Organisationen« die bevorstehenden Änderungen im Bundesprogramm »Demokratie Leben«. Gemeinsam mit 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen und ebenso vielen Unterstützer*innen hatte sie am vorvergangenen Freitag einen offenen Brief an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) gerichtet. Darin wird vor den Auswirkungen der geplanten Kürzungen im Förderprogramm »Demokratie Leben« gewarnt und stattdessen eine finanzielle Stärkung gefordert. Momentan ist vorgesehen, dass zukünftig weniger sogenannte Modellprojekte gefördert werden, über die viele Expert*innen der Bildungs- und Präventionsarbeit angestellt sind. In der letzten Förderperiode waren es 400 solcher Projekte, ab 2020 sollen es nur noch 100 sein. Viele Initiativen und Präventionsprogramme sind ohne die Fördergelder in ihrer Existenz bedroht.

Vom rot-rot-grünen Senat könnte möglicherweise Abhilfe für die betroffenen Berliner Projekte kommen. »Aus meiner Sicht bräuchten wir hier einen ›Feuerwehrtopf‹«, sagt Anne Helm, Sprecherin für Strategien gegen Rechts der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Dazu bin ich derzeit in Gesprächen mit der Landesstelle gegen Diskriminierung und unseren Haushaltspolitiker*innen.« Momentan sei die Lage jedoch noch unübersichtlich. So wisse man nicht abschließend, um wie viele Projekte es hier tatsächlich geht.

Auch die Grünen-Fraktion möchte grundsätzlich unterstützen: »Wir wollen tun, was wir können, um Initiativen aufzufangen und am Laufen zu halten«, sagt June Tomiak, Sprecherin ihrer Fraktion für Jugend und Strategien gegen Rechtsextremismus. Für zivilgesellschaftliche Einrichtungen sieht sie schwere Zeiten kommen: »Gerade auch migrantische Selbstorganisationen wie etwa Roma-Organisationen sind in ihrer Existenz bedroht. Dabei sind diese besonders wichtig, weil sie Kontakt in die Communitys haben.« Die finanziellen Möglichkeiten des Landes zum Ausgleich der Fördergelder seien jedoch begrenzt. Außerdem spiele auch Zeitnot eine Rolle. »Die Haushaltsberatungen in Berlin sind in den Fachausschüssen eigentlich gerade durch, da müssen wir sehen wie wir die Sachen da noch unterkriegen«, so Tomiak. Sie sieht eine schlechte Kommunikation des Familienministeriums, das aktuell noch prüfe, welchen Organisationen es Ausnahmeförderungen zugestehen wird.

Kürzlich war bekannt geworden, dass das Aussteigerprogramm »Exit« nach Gesprächen mit Familienministerin Franziska Giffey (SPD) nun doch weiterhin gefördert wird. Dieses Vorgehen sorge unter den Trägern der verschiedenen Projekte für große Unsicherheit darüber, wie es ab dem Jahr 2020 weitergehen kann, berichtet Tomiak.

Ohne den Koalitionspartner SPD werden die Rettungsmaßnahmen jedoch kaum umzusetzen sein. Hier gab man sich auf Landesebene weniger engagiert. Die Sprecherin für Soziales, Ülker Radziwill, betrachtet die Thematik als eine Frage des Bundes und argumentiert wie die Bundesministerin: Ohne Demokratiefördergesetz sei eine dauerhafte Förderung der Projekte nicht möglich. »Hier liegt der Ball eindeutig bei der CDU/CSU.«

Giffey gab unterdessen an, mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Gespräch zu sein. Auch Seehofer hatte eine Stärkung der Präventionsarbeit angekündigt.

Timo Reinfrank, Sprecher der Amadeu-Antonio-Stiftung, sieht eine weitere Möglichkeit, die Arbeit der betroffenen Projekte zu sichern: »Wir setzen darauf, dass die Haushaltspolitiker in der Bereinigungssitzung am 14. November die Mittel für das Bundesprogramm ›Demokratie Leben!‹ deutlich erhöhen«, sagte er.

Ob über Bund oder Land, die betroffenen Initiativen brauchen vor allem eine schnelle Lösung, damit sie ihre wichtige Arbeit auch im Januar 2020 fortsetzen können.

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