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Ein spätes Signal
Stephan Fischer zum EuGH-Urteil zu Richterpensionierungen in Polen
Eine Krux juristischer Bewertungen politischer Vorgänge liegt in ihrer Nachträglichkeit. Und dass sich solche Bewertungen auch noch sehr lange hinziehen können: 15 Jahre hat es gedauert, bis die Karlsruher Bundesverfassungsrichter wesentliche Elemente der Sanktionspraxis der Hartz-IV-Gesetze für grundgesetzwidrig befanden. Und auch auf europäischer Ebene mahlen die Mühlen der Justiz langsam. Der EuGH hat nun die polnischen Bestimmungen für ein unterschiedliches Rentenalter für weibliche und männliche Richter und Staatsanwälte für unzulässig erklärt. Ein klares Signal aus Luxemburg für den Rechtsstaat und auch ein Zeichen der EU, es Polen beim Staatsumbau nicht so leicht zu machen wie vorher Ungarn.
Nun hat allerdings die alte und neue polnische Regierung der PiS ein Argument, wenn sie darauf verweist, dass sich das Urteil auf Ruhestandsregelungen des Jahres 2017 bezieht: ebenjene Regelungen, die die EU-Kommission anfocht und die im April 2018 geändert worden sind. Spätere Änderungen berücksichtigen die europäischen Richter nicht. Aber hätte die EU-Kommission deshalb die Klage zurückziehen sollen, wie es das polnische Außenministerium nun nach dem Urteil forderte? Ein Signal ist das Urteil jetzt trotzdem, auch wenn es sich auf die Vergangenheit bezieht - denn gleichbleibende politische Zielsetzungen kann man auch mit geänderten Gesetzen verfolgen.
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