Senat hat den Kabelsalat

Gericht: Vattenfall darf das Berliner Stromnetz vorerst weiter betreiben

  • Tim Zülch
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin darf die Konzession für den Betrieb des Stromnetzes zunächst nicht an sein eigenes Unternehmen Berlin Energie vergeben. Das Landgericht Berlin hält die Entscheidung der Vergabestelle des Senats für rechtswidrig und hat dem jetzigen Netzbetreiber Vattenfall in Form einer einstweiligen Anordnung recht gegeben. Das Urteil vom Donnerstag stützt sich vor allem auf zwei Punkte. Zum einen war Vattenfall nach der Vergabeentscheidung keine Akteneinsicht gewährt worden, wodurch der Konzern keinen Einblick in die Bewerbung von Berlin Energie nehmen konnte. »Die Akteneinsicht hätte erfolgen müssen«, stellte Richter Dirk van Dieken fest.

Der andere entscheidende Punkt war, dass das Gericht dem Land Berlin nicht zutraute, den Betrieb des Stromnetzes »personell und technisch« durchführen zu können. Es gebe kein »hinreichend fundiertes Konzept«, wie das Land das Stromnetz übernehmen und sicher betreiben könne, so die Richter in ihrer Urteilsbegründung.

Berlin hatte angeführt, dass andere Landesunternehmen wie beispielsweise die Berliner Stadtreinigung dem neuen Betrieb unter die Arme greifen könnten. Im Prozessverlauf hatte die Anwältin des Landes erklärt, dass zum einen »ein Netzwerk landeseigener Betriebe« aushelfen könne, zum anderen die Stadtwerke anderer Städte zur Unterstützung angefragt seien. Das genügte dem Gericht nicht, wie van Dieken bereits in der Verhandlung Mitte Oktober durch bohrendes Nachfragen deutlich machte und damals recht lapidar kritisierte: »Also bis jetzt gibt es also nur einen Teil der Verwaltung, der sagt: ›das wuppen wir‹?«

Vattenfall hatte im Prozess gedroht, bei einer erzwungenen Abgabe des Stromnetzes wesentliche technische Einrichtungen verkaufen zu wollen. »Wir könnten die Netzleitstelle nach China verkaufen«, überlegte Vattenfall-Anwalt Christian von Hammerstein. Auch die Vorstellung des Landes, dass die rund 1600 bei der Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin beschäftigten Mitarbeiter nahtlos in den Staatsdienst wechseln, sah er kritisch. Diese These sei »sehr gewagt«, so von Hammerstein im Prozessverlauf.

Stromnetz Berlin zeigte sich nach der Urteilsverkündung hoch erfreut. Sprecher Olaf Weidner erklärte: »Die Stromnetz Berlin GmbH begrüßt das Urteil des Landgerichts Berlin im Verfahren um die Stromkonzession. Damit wurde unsere Rechtsauffassung bestätigt.« Er betonte, dass das »Kooperationsangebot, welches eine Beteiligung an der Stromnetz Berlin beinhaltet, weiterhin jederzeit vom Land Berlin angenommen werden« könne.

Die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Silke Gebel, sprach zwar von einem »kleinen Rückschlag«, äußerte sich aber zuversichtlich, dass es im weiteren Verfahren vor dem Kammergericht noch zu einer positiven Entscheidung kommen werde. Sie sagte: »Ich gehe aber davon aus, dass das Land Berlin auf jeden Fall in die nächste und finale Instanz geht und dass es gute Aussichten gibt, dass das Kammergericht zu einer anderen Entscheidung kommt.«

»Statt sich auf eine diskriminierungsfreie und objektive Vergabe zu fokussieren«, sei die Frage der Stromnetzkonzession von Anfang an mit politischen Erwartungen überfrachtet worden, kritisierte Henrik Vagt von der Industrie- und Handelskammer. »Rot-Rot-Grün sollte Vattenfall als starken Partner dauerhaft an das Land Berlin binden«, fordert der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner.

Christoph Rinke von Bürgerenergie Berlin, Mitbewerber um die Konzession, zeigte sich enttäuscht. »Das ist ein Dämpfer, aber es war klar, dass es, unabhängig vom Urteil, zur Berufung kommt. Jetzt muss das Kammergericht erneut entscheiden. Wir bleiben dran und widmen uns unabhängig davon unserem Ziel, mehr Klimaschutz in die Stadt zu bringen.«

Der Senat will noch nichts zu dem Urteil sagen. »Wir warten die schriftliche Urteilsbegründung ab, bevor wir uns zu dem Urteil äußern«, erklärte die Sprecherin des Finanzsenators, Eva Henkel.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal