Unruhen und Tote in Iran

Nachdem die Regierung eine drastische Erhöhung der Benzinpreise bekanntgegeben hat, gibt es überall im Land Massenproteste.

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach westlichen Maßstäben wird Sprit in Iran weiterhin spottbillig sein: Für jedes Fahrzeug sollen ab sofort 60 Liter im Monat zu einem Preis von 15.000 iranischen Rial, je nach aktuellem Kurs entweder 0,11 Euro (offiziell) oder 0,32 Euro (Schwarzmarkt), verkauft werden. Jeder weitere Liter wird das Doppelte kosten.

Bis Freitagmitternacht hatte die Regierung von Präsident Hassan Ruhani mit der Bekanntgabe der Preiserhöhung gewartet, doch trotz später Stunde verfehlte die Nachricht ihre Wirkung nicht. In Windeseile verbreitete sich die Neuigkeit über soziale Netzwerke; bereits Minuten später zogen die ersten Demonstranten in vielen iranischen Städten auf die Straßen, und auch am Sonntagnachmittag wurde weiter demonstriert.

Die Lage ist mittlerweile sehr unübersichtlich: Sicher ist, dass in den Provinzen in der Grenzregion zu Pakistan und Afghanistan Schüsse fielen. Dort ist eine recht große Zahl an militanten Gruppierungen aktiv, von denen einige sich zur Ideologie des »Islamischen Staat« bekannt haben.

Das iranische Innenministerium gab am Sonntag bekannt, es habe bislang ein Todesopfer gegeben. Im Internet verbreitete Berichte und Videos lassen allerdings darauf schließen, dass es mehr Tote und Verletzte gegeben hat.

Mittlerweile wurde das Internet auf Anweisung des Telekommunikationsministeriums abgeschaltet. In einem Interview mit dem staatlichen iranischen Fernsehen machte Generalstaatsanwalt Mohammad Dschafar Montaseri »wenige Aufrührer aus dem Ausland« für die Proteste verantwortlich. Montaseri war zwischen 1980 und 1988 Richter an einem Revolutionsgericht und fällte in dieser Zeit mehrere Tausend Todesurteile. Später war er in verschiedenen Funktionen maßgeblich an der Durchsetzung von Zensurmaßnahmen und der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten beteiligt.

Doch dieses Mal hat der Staat erkennbare Probleme, die Proteste in den Griff zu bekommen. Denn in Iran ist der öffentliche Nah- und Fernverkehr nur sehr schlecht ausgebaut: Die meisten Iraner sind vom Auto abhängig, und auch die Wirtschaft ist auf den Gütertransport per Lastwagen angewiesen. Präsident Ruhani, einstiger Hoffnungsträger und für Privatisierungen und Einschnitte im Sozialstaat verantwortlich, erklärte, die Einnahmen aus der Preiserhöhung sollten den Armen zugute kommen. Doch es ist damit zu rechnen, dass die erhöhten Benzinkosten zu Preissteigerungen bei anderen Waren des täglichen Bedarfs führen werden. Dementsprechend sind auch Polizisten betroffen, die sich am Wochenende erkennbar zurückhielten, gegen Demonstranten vorzugehen.

Doch nicht nur die Preiserhöhung, auch die Revolutionsgarden wurden am Wochenende offen kritisiert: Denn diese dominieren mittlerweile auch die Wirtschaft. Am Sonntag warnte Hossein Salami, Kommandeur der Revolutionsgarden, man werde »alles tun, um die Sicherheit und die Ordnung wiederherzustellen«.

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