- Politik
- Institutioneller Rassismus
Auflage »Deutsch lernen«
Eine Polizistin fordert einen Migranten dazu auf, einen Sprachkurs zu besuchen - ein Fall von institutionellem Rassismus?
Immer wieder gibt es Fälle, in denen die Polizei Menschen rassistisch diskriminiert. Auch werden Menschen mit Migrationshintergrund Opfer von Gewalt durch Beamte. Sie sind dem sogenannten Racial Profiling ausgesetzt. Mehrere Studien und Vorfälle in den vergangenen Jahren belegen, dass deutsche Sicherheitsbehörden ein Rassismusproblem haben.
Doch es sind nicht nur die großen Fälle, die ein Problem darstellen, Kompetenzüberschreitungen gibt es auch im Kleinen. Etwa am Dienstagmorgen in der Dortmunder Nordstadt. Der Anlass war nichtig. Ein falsch abgestellter PKW führt zu einem Polizeieinsatz. Die Situation selbst ist schnell geklärt. Dann geht eine Polizeibeamtin auf die Falschparker zu, nimmt einen Passanten als Dolmetscher zur Hilfe. Sie spricht die Männer an. »Auflage, Auflage der Polizei, Deutsch lernen!« Nach der Übersetzung sagt sie: »Nicht perfekt aber so, dass er mit mir sprechen kann.« Anschließend fügt sie hinzu, dass die Männer »bitte« das Einparken üben sollten.
Die kurze, von einem Anwohner aufgenommene Videosequenz, die »nd« vorliegt, zeigt eine Polizistin, die ihren Aufgabenbereich überschreitet. Für die »Auflage«, Deutsch zu lernen, gibt es nämlich keine Rechtsgrundlage. Die Polizei kann unterschiedlichste Auflagen erteilen. Sie kann zum Beispiel Platzverweise aussprechen, aber niemanden zum Spracherwerb zwingen - auch wenn dieser für ein Leben in Deutschland mit Sicherheit förderlich ist.
»Die eingesetzten KollegInnen schildern den Eindruck des geführten Gespräches als freundlich und mit Augenzwinkern«, teilt die Polizei Dortmund in einer Stellungnahme mit. Das Erlernen der deutschen Sprache stelle »selbstverständlich« keine Auflage dar. Der Eindruck der Einsatzkräfte sei es aber, dass »die Betroffenen dies auch weder als solche noch als Affront verstanden« hätten. Eine Beschwerde sei natürlich möglich, heißt es weiter. Die Beamten hätten aber nicht »das Gefühl, dass bei ihren Gesprächspartnern das Bedürfnis einer solchen Beschwerde« entstanden sei. Eine Anfrage, wie die Polizeiführung die Erteilung von Fantasieauflagen, für die es keine Rechtsgrundlage gibt, bewertet, beantwortete die Polizei nicht.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.