Leiharbeit soll abgesetzt werden

Ein Maßnahmenplan will Versorgungsqualität und Patientensicherheit gewährleisten

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis zu 30 Prozent der Belegschaften in Berliner Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kommen zu Spitzenzeiten aus der Leiharbeit. Das kann heißen: Bis zu 30 Prozent der Mitarbeiter*innen auf einer Station kennen sich dort bis auf die erhaltene Kurzeinweisung nicht aus, übernehmen keine Aufgaben, die mit Verantwortung in Verbindung stehen - Dokumentation, Organisation, Bestellungen. Sie arbeiten auch nicht in Nachtschichten. »Besonders hoch ist die Leasingquote im hoch spezialisierten Bereich der Pflege, da kann es einem ganz anders werden«, sagt Judith Heepe, Pflegedirektorin der landeseigenen Charité.

Am Montag wurde die Leiharbeit in der Pflege in der Senatsverwaltung für Soziales bei einem gemeinsamen Pressetermin von führenden Akteuren der Berliner Pflegebranche behandelt. Ein seit anderthalb Jahren bestehendes Fachgremium unter der Ägide von Pflegesenatorin Dilek Kalayci (SPD) stellte dabei seine Untersuchungen zum Thema vor. Mit dem vorläufigen Ergebnis: »Leiharbeit in den Berliner Einrichtungen ist eines unser größten Probleme«, sagt Marc Schreiner, Geschäftsführer der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG). Schreiner fordert, das massive Leasing in den Pflegeeinrichtungen »zurückzudrängen«. Gelingen kann das seiner Ansicht nach mit einer regionalen berlineigenen Variante der bundesweit gestarteten »Konzertierten Aktion Pflege«.

Leiharbeit in der Pflege

Für ausgebildete Pflegekräfte ist die Beschäftigung bei Zeitarbeitsfirmen oft attraktiv, weil sie dort höher vergütet werden und ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten können. Leasing-Kräfte sichern in Berliner Pflegeeinrichtungen häufig die Versorgung.

Der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen schätzt, dass im Fall eines Verbots von Leiharbeit zwar ein Teil der Leasing-Kräfte in die Stammeinrichtungen - also Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen - wechselt. »Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass diese Pflegekräfte den Beruf wechseln«, heißt es in einer Mitteilung.

Berlin will eine Bundesratsinitiative zur generellen Unterbindung der Arbeitnehmerüberlassung im Pflege- und Krankenhaus einbringen. Bundesweit wird von zwei Prozent Leiharbeiter*innen in der Pflege ausgegangen. clk

Diese hat unter anderem das Ziel, durch umfängliche Investitionen und Verbesserungen die Ausbildungszahlen bis zum Jahr 2023 um mindestens zehn Prozent zu erhöhen. Bis zu 8000 Fachkräfte fehlen derzeit in Berliner Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Demgegenüber steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen: bis auf voraussichtlich zu 170 000 im Jahr 2030.

»Uns fehlen die Menschen«, beklagt Dilek Kalayci, der Markt sei wie »leergefegt«. »Dabei tun wir in Berlin alles, was man für die Pflege tun kann«, beteuert die Senatorin, die den Pflegenotstand oft als »hausgemacht« bezeichnet. Kalayci ist angetreten, die schlechten Bedingungen von Pflegearbeiter*innen in der Hauptstadt grundlegend zu verbessern. Der Zurückweisung der Leiharbeit kommt dabei eine besondere Rolle zu. In den 1990er Jahren als Mittel eingesetzt, um hohe Arbeitslosenzahlen zu verringern, beherrschten Zeitarbeitsfirmen mittlerweile quasi den Markt, erklärt Thomas Meißner vom Anbieterverband qualitätsverbundener Gesundheitseinrichtungen. Stationäre Einrichtungen seien erpressbar, weil ihnen aufgrund des Fachkräftemangels keine Wahl bleibe, als auf Leasing-Kräfte zurückzugreifen. Mit fatalen Folgen: Die Leasing-Firmen würden Preise und Arbeitszeiten diktieren, hielten sich aber umgekehrt kaum an vertragliche Zusagen, so Meißner.

Auf einen anderen Aspekt weist die Pflegeausbilderin Oberin Doreen Pfuhr vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) hin: »Unsere Azubis werden, wenn sie fertig sind, aggressiv von diesen Firmen abgeworben. Ich bekomme die zukünftigen Fachkräfte gar nicht mehr in die Klinik, um ihnen zu zeigen, wie flexibel und zuverlässig die Arbeitsbedingungen mitunter sind«, so Pfuhr.

»Wir wollen die generelle Unterbindung von Zeitarbeit in der Pflege«, so Kalayci. Nur so könnten Versorgungsqualität und Patientensicherheit wieder gewährleistet werden.

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