Mietendeckel: Investitionsbank fürchtet zu viel Arbeit

Landeseigenes Institut fordert Änderungen am Gesetz zur Begrenzung von Mieten / Verabschiedung am 30. Januar geplant

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB) fürchtet eine »Welle von Anträgen« von Hauseigentümern, die aufgrund der im Gesetz zum Mietendeckel vorgesehenen Senkungen von Bestandsmieten auf das Institut zurollen. Diese könnten »uns als leistungsfähige Förderbank lähmen und zu erheblichen Reputationsschäden für die IBB und das Land führen«, schreiben die Vorstände Jürgen Allerkamp und Angeliki Krisilion in einer E-Mail an die Fraktionsvorstände der drei Koalitionspartner SPD, LINKE und Grüne.

In dem Schreiben, das »nd« vorliegt, hat die IBB auch die von ihr gewünschten Gesetzesänderungen, die sie als »zwingend« ansieht, formuliert. Sie möchte, dass Widersprüche von Vermietern gegen Mietabsenkungsbescheide entgegen der bisherigen Formulierung sehr wohl aufschiebende Wirkung haben. Denn bisher heißt es in Paragraf 10 knapp: »Rechtsbehelfe und Maßnahmen und Entscheidungen nach diesem Gesetz haben keine aufschiebende Wirkung.«

Mit dieser Änderung werde »sichergestellt, das die Vermieter zunächst gegen den Mietabsenkungsbescheid vorgehen (erst Widerspruch, dann Klage), anstatt einen Härtefall zu beantragen«, schreibt die IBB. Ein Mietsenkung würde damit erst erfolgen, wenn die rechtliche Prüfung abgeschlossen ist. »Dies schützt die Mieter vor späteren Rückforderungen«, so die Bank weiter.

Außerdem fordert das landeseigene Institut eine Bagatellgrenze, die einen Härtefallantrag von Hauseigentümern ausschließt, falls die Absenkung unter 50 Cent pro Quadratmeter und Monat liegt. Ein rechtlich durchaus heikles Ansinnen, schließlich erfolgt so eine Eingriff ins Eigentum ohne die von Gerichten immer wieder als zwingend erachtete Einzelfallprüfung auf Verhältnismäßigkeit.

Bekanntlich soll neun Monate nach Inkrafttreten des Mietendeckelgesetzes, dessen Verabschiedung für das erste Quartal 2020 erwartet wird, die Absenkungsregelung greifen. Demnach werden Mieten, die über 120 Prozent der definierten Mietobergrenzen liegen, auf diesen Wert abgesenkt. Bei rund 340 000 nicht preisgebundenen Wohnungen liegt die Miete derzeit 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete des Berliner Mietspiegels 2019. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen schätzt, dass jeweils rund 20 Prozent der Mieterhaushalte im ersten und zweiten Jahr nach dem Inkrafttreten der Regelung erfolgreich eine Kappung ihrer Miete realisieren können und in den Folgejahren jährlich rund zehn Prozent. Allein im ersten Jahr wären das also fast 70 000 Anträge.

Wenn Vermieter nachweisen können, dass in der Folge die Wirtschaftlichkeit des Hauses bedroht ist, können sie einen Härtefallantrag stellen. Auch für die nötige Rechtsverordnung hat die IBB schon einen Formulierungsvorschlag. Diesem Antrag sei eine »Aufstellung der objektspezifischen Einnahmen und Ausgaben beizufügen«, heißt es da, »die von einer dem Wirtschaftszweig ›Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung‹ angehörenden geeigneten Person erstellt und testierten/bestätigt« sein müsse.

Die Wünsche der IBB, über die der »Tagesspiegel Checkpoint« zunächst berichtet hatte, sind einer von Dutzenden Änderungsvorschlägen, mit denen die Koalitionsfraktionen sich derzeit auseinandersetzen müssen. Diesen Dienstag werden sich die Fraktionen in ihren Sitzungen damit beschäftigen, für den Freitag ist eine Koalitionsrunde dazu angesetzt. Dazu kommen noch die vielen Hinweise aus der Expertenanhörung Mitte Dezember. Die Änderungsanträge der Koalition sollen trotz des enormen Arbeitsaufwands bereits am 15. Januar im Stadtentwicklungsausschuss beschlossen werden. Dann könnte das Gesetz am 30. Januar bei der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses endgültig verabschiedet werden.

Der Berliner Mieterverein ist durchaus zufrieden, dass Rot-Rot-Grün mit dem Mietendeckel tatsächlich dem Mietenwahnsinn Einhalt gebieten möchte. Dessen Geschäftsführer Reiner Wild kritisiert allerdings, dass die geplanten Absenkungen erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes wirksam werden sollen. »Dass man die Behörde erst neun Monate später aufgebaut hat, dafür habe ich durchaus Verständnis«, so Wild zu »nd«. »Warum die Mieter bis dahin die laut Gesetz überhöhten Mieten ohne Rückzahlungsanspruch weiter zahlen sollen, erschließt sich mir nicht«, erklärt der Geschäftsführer. Man könne ja bis dahin die Anträge sammeln und erst später bescheiden. Für Mieter wichtig: Die Absenkung gilt laut Gesetzentwurf erst ab dem Monat, der auf den Tag der Antragstellung folgt. Wer sich also Zeit lässt mit der Antragstellung, verschenkt möglicherweise Geld.

Die jetzige Ausgestaltung des Mietendeckels als Mietenstopp, der eine Atempause auf dem Wohnungsmarkt verschaffen soll, hält Wild zwar »für politisch nachvollziehbar, aber nicht langfristig gedacht«. »So ein Modell wie dieses muss man nach fünf Jahren umkrempeln. Das birgt das Risiko in sich, dass dann einfach Schluss mit dem Mietendeckel ist«, befürchtet der Mietervertreter. Angesichts der »fragilen Konstellation in der Koalition« sei aber mit größeren Änderungen nicht mehr zu rechnen. »Bei uns war die Idee, eine langfristige öffentlich-rechtliche Mietpreisregelung für Berlin zu haben, die über die fünf Jahre hinausgeht«, so Wild

Für besonders problematisch hält der Mieterverein die Regelung zu Modernisierungsumlagen, die ohne großes Antragsprozedere auf einen Euro gekappt sind und außerdem nicht mehr als einen Euro über Oberwerten liegen dürfen. »Mit dieser doppelten Kappung wird es zum Modernisierungsstopp kommen«, befürchtet Reiner Wild. Denn sowohl die energetische Modernisierung als auch der barrierefreie Umbau von Häusern seien Dinge, die angesichts von Klimaschutz und alternder Bevölkerung vorangetrieben werden müssten. »Das Mietrecht muss keinen Anreiz für Modernisierungen bieten, aber darf sie auch nicht verhindern«, ist er überzeugt.

Verfassungsrechtler Professor Christoph Schmid von der Uni Bremen geht davon aus, dass der Mietendeckel verfassungsgemäß ist, erklärte er bei der Anhörung im Dezember. »Aber wenn es in Kraft tritt, hat man dann die Verwaltungskapazitäten, ist man dann vorbereitet, dass man ein halbes Chaos durch Umgehungen aller Art, die jetzt schon in der Fachliteratur diskutiert werden, vermeidet?«, das sei seine eigentliche Sorge, sagte er.

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