Solicocktail

Paula Irmschler über eine schlechte Welt, wärmende Solidarität und Gewaltbereitschaft

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

»Schufa der Liebe« - was soll das denn nun schon wieder? Nun, es klingt einfach sehr gut. Außerdem bin ich jetzt 30, und Carrie Bradshaw hat mal irgendwas in die Richtung gesagt, dass man in den Dreißigern seine Lektionen erteilt bekäme, also will ich gewappnet sein. Zum Beispiel für Momente, in denen ich feststelle, dass ich 30 bin und mir als Referenz zu diesem Themenkomplex als Erstes Carrie Bradshaw einfällt. Also: Beschissene Sachen in Geiles ummünzen, so wird es ab sofort an dieser Stelle gemacht.

Bisschen blöd, dass in den letzten Tagen wieder so viele beschissene Sachen los waren. Kleine Auswahl: Patrizia Schlosser recherchierte für das Onlinemagazin »Strg_F« beim Pornoportal »XHamster« und fand heraus, dass Männer Freundinnen und Festivalbesucherinnen heimlich auf Toiletten filmen, um die Videos dann online zu stellen und/oder zu verkaufen. Während eines Konzerts der Gruppe HGich.T wurde eine Frau von einem Mitglied auf der Bühne vergewaltigt, und rechte Männer lachen darüber, weil die Tat im alternativen Kulturzentrum »Conne Island« passiert ist. In der Berliner Kriminalitätsstatistik werden solchen Verbrechen wie Mord, Totschlag und fahrlässige Tötung jetzt auch Schwangerschaftsabbrüche zugerechnet.

Persönlich lief’s auch wieder super: Mein letztes Wochenende verbrachte ich größtenteils mit dem Abwehren eines Nazi-Shitstorms, nachdem ich im Internet einen Witz über die Gewaltbereitschaft von uns Antifas gemacht hatte. Grundsätzlich ist das normal und mir nicht das erste Mal passiert, wenn auch die Zahl an Kommentaren und Nachrichten höher war als bisher.

Inhaltlich war es dünner als sonst; die Leutchens gaben sich kaum Mühe, pulverten alles aus dem Antifafrauenhassbaukasten raus. Zu heiß gebadet, falsch gewickelt, vom Wickeltisch gefallen, Schaukel zu nah an der Wand, ins Hirn geschissen, kein Gehirn, den Arsch offen, schlecht gefickt, ungefickt, von Ausländern gefickt, ohne Worte und so weiter. Ein paar Drohungen waren natürlich auch dabei.

Warum ich trotzdem gute Laune habe? Solidarität. Der Shitstorm wurde in Schach gehalten von einer großen Gruppe lieber und humorvoller Menschen, die sich in die Kommentarschlacht warfen, damit ich es nicht tun musste. Mir teilweise unbekannte Menschen fragten, was sie tun können und ob es mir gut gehe. Und dieses Soligefühl muss man sich erhalten, wenn man von der Scheiße erfährt, die allerorten abgeht.

Wenn man glaubt, sich nicht sicher fühlen zu können auf Toiletten, auf linken Konzerten, in Arztpraxen, im Internet, gibt es diese Leute, die das gleiche fühlen und sich für Besseres einsetzen wollen. Es ist das gemeinsame Kopfschütteln, das gemeinsame verzweifelte Lachen, die gemeinsame Wut, das gemeinsame Überlegen, wie es besser werden kann, das Sich-gegenseitig-Schützen. Und es ist die Gewaltbereitschaft. Kleiner Spaß. Oder doch nicht? Ich lache in jedem Fall schon mal.

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