Der gern gesehene Dieb

Timo Kastening ist der Senkrechtstarter im deutschen Handballteam. Der Rechtsaußen »klaut« gern Bälle - und liebt Kaffee.

  • Christoph Stukenbrock und Irina Gnep
  • Lesedauer: 3 Min.

Timo Kastening belohnte sich für den starken Auftritt gegen Belarus auf seine Weise. Zwar war es schon fast Mitternacht, dennoch gönnte sich der Shootingstar der deutschen Handballer seinen geliebten Doppio Espresso. Denn »Kaffee«, sagte Kastening mit einem verschmitzten Lächeln, »geht immer«.

Am Donnerstagabend hatte es länger gedauert als gewöhnlich, bis der EM-Debütant zu seinem Heißgetränk kam. Nach dem deutschen 31:23-Erfolg zum Hauptrundenauftakt gegen Belarus war der pfeilschnelle Rechtsaußen in der Wiener Stadthalle der gefragteste Mann. Sechs Tore bei sechs Versuchen schürten selbst bei der internationalen Presse das Interesse.

»Das war ein perfekter Tag«, sagte Kastening. »Ich freue mich, dass ich Spielzeit bekomme und die auch nutzen kann.« Auf dem Feld wirkt er wieselflink und gedankenschnell und ragt damit im deutschen Team heraus. »Es ist das erste Turnier für ihn, und man merkt es gar nicht. Nervosität ist da Fehlanzeige«, lobte Bundestrainer Christian Prokop. Vor allem mit seinen Tempogegenstößen begeistert Kastening. Reihenweise stibitzte er am Donnerstagabend die Bälle in der Abwehr und versenkte sie anschließend sicher im Tor.

Selbst für Kapitän Uwe Gensheimer ist der mit einer Körpergröße von 1,80 Meter kleinste Spieler im Team ein Phänomen. »Der Timo schleicht sich da unten immer irgendwo raus und klaut dann den Ball. Der macht es überragend«, sagte Gensheimer. Prokop, der in einer Auszeit des ersten EM-Spiels noch nach Kastenings Namen gefragt hatte, lobte nun: »Er macht das sehr konsequent, sehr schnell, das macht Spaß.«

Die starken Darbietungen Kastenings, der sich in Rekordzeit einen Stammplatz erkämpft und dafür immerhin den 2016er Europameister Tobias Reichmann verdrängt hat, kommen nicht von ungefähr. Der Hannoveraner bereitet sich akribisch auf jedes Spiel vor, trägt am Handgelenk einen Verband, auf dem er sich vor den Partien die Spielzüge des Gegners notiert.

In diesen Tagen erlebt Kastening sein persönliches EM-Märchen. Gehörte der Neuling (10 Länderspiele, 31 Tore) vor dem Turnier noch zu den Wackelkandidaten, weil er für einige überraschend den Vorzug gegenüber Dauerbrenner Patrick Groetzki erhalten hatte, ist er inzwischen nicht mehr wegzudenken. 16 Tore bei 19 Versuchen in den ersten vier Spielen sind eine Weltklasse-Quote. »Respekt vor Timo. Er ist ein bisschen verrückt, aber er tut uns allen gut. Wir sind froh, dass wir ihn in der Mannschaft haben«, sagte Rückraumspieler Julius Kühn.

Die nächste Show will Kastening schon an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/ZDF) gegen Kroatien geben. »Ich hätte nichts dagegen«, sagte Kastening, »aber erst mal auf dem Teppich bleiben«. Ruhig bleiben und Kaffee trinken! SID/nd

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