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»Alle Fakten auf den Tisch«: Travis Tygart kritisiert Wada-Kurs
Chef der US-Antidopingagentur hält System für zu bürokratisch und zu wenig treffsicher und fordert mehr Transparenz sowie wirksamere Kontrollen
Travis Tygart, im Fall der 23 Schwimmer aus China ermittelt inzwischen das FBI, auch gegen die Welt-Antidopingagentur Wada selbst. Gibt es Ergebnisse?
Die Ermittlung läuft noch. Ich denke, es ist einfach traurig, dass die Wada ihren Mitarbeitern sagt, dass sie nicht in die USA reisen sollten, die seit 25 Jahren führend im Antidopingkampf sind und die ersten 15 Jahre Hand in Hand mit der Wada gearbeitet haben. Wir werden sehen, was die Ermittlung bringen wird. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass mit der neuen Präsidentin des IOC auch ein Richtungswechsel bei der Wada eintreten könnte.
Werden die USA dann die ausstehenden Zahlungen an die Wada leisten?
Die USA zahlten schon unter der Präsidentschaft von Joe Biden nicht, sie zahlen nicht unter Donald Trump. Der Kongress ist sich da sehr einig. Wir möchten mit der Wada-Führung eine gemeinsame Lösung finden. Aber dafür müssen alle Fakten auf den Tisch.
Travis Tygart (54) ist der Mann, der Lance Armstrongs Doping-Kartell zu Fall brachte – und fungiert seit 2007 als CEO der US-Antidopingagentur USADA. Im Gespräch mit nd-Autor Tom Mustroph schildert er, wo das Antidopingsystem heute blind ist.
Laut aktueller Teststatistik waren nur 0,8 Prozent aller Dopingproben positiv – erschreckend wenig angesichts einer Verbreitung von Doping, die laut den wenigen veröffentlichten Studien zum Thema sicher um die 20 Prozent liegen dürfte. Ich war erstaunt, dass auf dem Kongress nur sehr wenige Delegierte über diese karge Bilanz sprachen. Will die Anti-Doping-Community einfach nicht besser werden?
Ich hoffe, das ist nicht der Fall. Das kritische Überprüfen der eigenen Praxis ist unbedingt nötig. Das ist jedenfalls die Mentalität olympischer Champions. Sie überprüfen stets ihre Performance, wollen die letzten 0,5 Prozent herausholen, indem sie härter trainieren, effektiver essen, sich besser erholen. Auch wir müssen das machen, damit die Athleten uns Vertrauen entgegenbringen.
Eine Ursache für die magere Erfolgsquote dürfte sein, dass oft nur Standardtests gefahren, Extratests für neuere Substanzen aber nur selten nachgefragt werden. Das führt im schlimmsten Falle dazu, dass die Labore diese eigentlich erfolgversprechenden Tests aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht mehr anbieten können. Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Leider ist das Antidopingsystem in den letzten Jahren extrem bürokratisch geworden. Der Fokus lag mehr auf Compliance-Fragen als auf der Qualität des Antidopingkampfes. Wir müssen einen Weg finden, effektiver zu werden, vor allem durch intelligentes Testen. Wir haben es bei der Balco-Affäre gesehen, als Dopingprodukte entwickelt wurden, die als nicht nachweisbar galten. Wir wären naiv, wenn wir glaubten, dass heute nichts Ähnliches geschieht. Wir brauchen Whistleblower, aber auch bessere Standards zur Informationsverarbeitung sowie den festen Willen, Designer neuer Substanzen aufzuspüren.
2026 stehen in den USA die Enhanced Games an, bei denen Athleten ausdrücklich zum Dopen ermuntert werden und ihnen hohe Geldsummen für Rekorde winken. Werden Sie solche Athleten auch stärker testen? Wegen der höheren Trefferwahrscheinlichkeit könnte das doch glatt zum Kalibrieren der Testmaschinen dienen.
Ich halte die Enhanced Games für eine extrem schlechte Idee. Aber wir sollten sie nicht fürchten, sie lieber als Anlass nehmen, unsere Anstrengungen für einen sauberen Sport zu erhöhen. Nach meinem Verständnis muss ein Athlet, der bei den Enhanced Games antritt, sich aus dem olympischen Sport zurückziehen. Er ist dann auch außerhalb unseres Rechtssystems. Sollte er doch zurückkommen wollen, wird es sicher Einschränkungen und Überprüfungen geben.
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