Reines Gewissen auf Reisen

Christoph Daum verkörpert den alten Fußball

  • Robert Putzbach
  • Lesedauer: 2 Min.

»Christoph Daum ist wieder da und in Frankfurt kauft er Koka!« Mit diesem selbst komponierten Gesang feierte die 66-jährige Trainerlegende am Sonntagabend in einem ICE am Düsseldorfer Hauptbahnhof. In einer Videosequenz ist zu sehen, wie die Frankfurter auf und ab springen und so den Waggon zum Schaukeln bringen. Inmitten der Fans sitzt Christoph Daum und nimmt die gesangliche Anspielung auf seine Kokainaffäre vor 20 Jahren gelassen zur Kenntnis. Um ein Haar wäre Daum im Jahr 2000 deutscher Bundestrainer geworden, letztlich hatte aber Rudi Völler die Nase vorn.

Angefangen hatte alles mit öffentlichen Anschuldigungen von Ulli Hoeneß, der den damaligen Leverkusen-Trainer als »verschnupften Daum« bezeichnete. Dieser sah sich zu einer Reaktion gezwungen, um seine Chance auf den Posten als neuer DFB-Coach zu wahren. So kam es zu der legendären Pressekonferenz im Oktober 2000, bei der Daum mit ernster Miene verkündete, eine Haarprobe in Auftrag gegeben zu haben, samt nachdrücklichem Verweis auf sein »absolut reines Gewissen.« Umso überraschter nahm die Öffentlichkeit das positive Ergebnis des Drogentests zur Kenntnis.

Dem Kulttrainer gelang das Comeback auf die Trainerbank - mit Fenerbahce Istanbul und Austria Wien wurde er sogar Meister. Daum war für seine Fähigkeit bekannt, die Spieler zu motivieren - mitunter mit ungewöhnlichen Methoden. In seiner Anfangszeit beim FC Köln nagelte er die Siegprämie von 40 000 Mark kurzerhand an die Kabinentür, in Leverkusen ließ er seine Spieler über Scherben laufen.

Zuletzt coachte Daum die rumänische Nationalmannschaft. Nach verpasster EM-Teilnahme wurde sein Vertrag 2017 aufgelöst. Seitdem hat das mediale Interesse an Daum nicht abgenommen. Vielleicht, weil der schnauzbärtige Hitzkopf eine Zeit verkörpert, in der Rudi Assauer am Spielfeldrand Zigarren qualmte und Uli Hoeneß noch als Saubermann galt.

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