Das System ist stärker als seine Teile

Wer hat die meisten Leichen im Keller? Die zweite Staffel von »Bad Banks« erzählt spannend und lehrreich von der kapitalistischen Dauerkrise

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer Interaktionen beschreiben will, begibt sich gern in die luftigen Gefilde der Ornithologie: Lieber einen Spatzen in der Hand als eine Taube auf dem Dach. Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Alles lebenskluge Allegorien des pfleglichen Miteinanders, alles aber auch Bullshit, pardon: Vogeldreck - zumindest im ZDF. Dort nämlich pflastern Spatzenleichen den Weg zum taubenfetten Dach, während für blinde Hühner am Boden kein Korn mehr übrig bleibt vor lauter Krähen, sofern ihnen die Artgenossen nicht beide Augen ausgehackt haben.

So geht es zu in einer Serie, die Anfang 2018 zum Besten zählte, was deutsche Fiktion je hervorgebracht hatte - und nun erneut große TV-Unterhaltung ist. Denn während sich die »Bad Banks« der 1. Staffel von Frankfurt am Main bis Luxemburg zu Lasten von Kommunen, Menschen und Moralvorstellungen am riesigen Wohnungsbauprojekt »Leipzig 2025« mästeten, zieht es die Investmentbankerin Jana Liekam (Paula Beer) mitsamt ihrer zwei Partner Thao (Mai Duong Kieu) und Adam (Albrecht Schuch) nun ins gar nicht mehr so arme Berlin, das ja immer noch sexy sein soll.

Dort hat ihr Arbeitgeber - die staatlich kontrollierte Bankencrashverliererin Deutsche Global Invest - einen »Inkubator« für profitable Ideen zur Krisenüberwindung eröffnet. Äußerlich ein futuristisches Raumschiff, gleicht dieser Brutkasten des digitalen Zeitalters im Inneren einem Dschungel - und dort fühlen sich Raubtiere wie die drei degradierten Topbanker naturgemäß wohler als im Neonlicht eines Kellerbüros unter der Konzernzentrale in Frankfurt. »Wir verrecken hier«, flucht Liekams Komplize Adam, »dabei könnten wir längst ein eigenes FinTech haben.« Zum Beispiel »Green Wallet«, ein hoffnungsvolles Hipster-Start-up zur nachhaltigen Firmenfinanzierung, in dem Hoodies statt High Heels herrschen und Aufbruchsgeist statt Intriganz.

Um es zu kapern, will das Trio seine Exchefin Christelle Leblanc (Désirée Nosbusch) wegen illegaler Insidergeschäfte erpressen, was diese jedoch mit ihrem Wissen um spezielle Schwarzgeldkonten kontert und ihrerseits den eigenen Vorstand hintergeht. Wie gewohnt hacken also alle Krähen lustvoll aufeinander ein.

Nachdem Christian Schwochow die Drehbücher des Writers’ Rooms um Chefautor Oliver Kienle zur furiosen Vendetta aller gegen alle gemacht hat, kippt nun also auch Regisseur Christian Zübert in Staffel 2 einen Cocktail aus Eitelkeit, Rache, Korruption, Gier, Betrug und Neid in die Glasstahlarchitektur und verbindet damit die Lieblingsthemen deutscher Fernsehzuschauer.

Krimi und Melodram, Lovestory und Action, Thriller, Sozialstudie und sogar Western: Würde der neue Regisseur auch noch Juristen und Ärzte einbauen - »Bad Banks II« wäre ein Schmelztiegel sämtlicher Sehgewohnheiten. Und das ist angesichts des komplizierten Themas abermals beachtlich. Im Kern geht es schließlich auch hier um Betriebs- und Volkswirtschaft; sperriges Zeug auf dem Spaßlevel der »FAZ«, von dem man seit Oliver Stones Kinofilm »Wall Street« weiß, dass es ohne Sex’n’Drugs’n’Rock’n’Roll so wirkt wie die »Börse nach acht« im Ersten. Mehr noch als in der ersten Staffel wird das dröge Finanzbusiness mit dem Privatleben der Protagonisten angedickt. Bis hin zum Chef der Bankenaufsicht haben alle ihre Leichen im Keller.

Dennoch: trotz allerlei Eye-Candy von Bankerinnen in Killerpumps und Brokern beim Schampus-Saufen, trotz übertriebener Coolness junger Start-up-Mitarbeiter und echter Faustkämpfe alter Manager, trotz der redundanten Anzeige jeder Smartphone-Nachricht und gelegentlich zu viel Schnitttempo, erzählt diese Serie weiterhin mehr übers Zeitalter der kapitalistischen Dauerkrise als manche Dokumentation. Nicht ohne Grund ist »Bad Banks« im Sog der »Panama Papers« und von MeToo entstanden. Und auch wenn sich die Serie angesichts der Klimakrise nun dem Zukunftsmarkt nachhaltiger Investments zuwendet, bildet das Geschlechterverhältnis weiterhin die dramaturgische Grundierung dieser Realitätsfiktionalisierung.

Das Besondere an »Bad Banks« bleibt daher die Figurenzeichnung schwacher Männer, denen starke Frauen den Finanzmarsch blasen. Frauen, die Karriere machen, aber gar nicht so genau wissen (wollen), warum. Die ihre Männer mit den Kindern allein lassen und vehement nach Lust, Geld, Macht greifen und dabei länger Augenkontakt halten als jeder Alpharüde. Trotzdem werden sie Opfer von sexueller Gewalt. Aber sie können den Spieß auch umdrehen. Es scheint so, als würde die Gier habituelle Geschlechtergrenzen überwinden.

Doch das geschieht nur vordergründig. Denn letztlich sitzt Christelle Leblanc ganz oben meist allein unter Männern, während die zweite Frau im Spitzenmeeting den Beamer bedienen darf und der Strippenzieher Gabriël Fenger (Barry Atsma) Liegestütze macht, bevor er nach seiner Entlassung aus der U-Haft das Kommando übernimmt und dennoch ein Getriebener bleibt, dem das private Glück versagt bleibt.

Wann immer der Finanzkapitalismus mit seinen Cum-Ex-Deals und Derivaten die Zivilgesellschaft zersetzt, so lehrt uns diese Serie, bleibt das System eben stärker als seine einzelnen Teile. Was als Stärke daherkommt, ist allerdings die (einzige) Schwäche von »Bad Banks«: Das Finanzgeschäft wird nämlich als ständiger Rausch inszeniert, in dem Süchtige agieren und damit auch exkulpiert werden wie Menschen, die mit drei Promille Straftaten begehen. Dabei sind es doch immer Menschen, die anderen ganz bei Sinnen die Augen aushacken. Denn wer sich mit Spatzen in der Hand zufrieden gibt, findet bald nirgends mehr ein Korn.

In den Mediatheken von ZDF und Arte.

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