Mann? Steht auf dem Schlauch!

Der Film »Waterproof« stellt jordanische Klempnerinnen vor, die sich gegen Vorurteile durchsetzen

  • Jörn Schulz
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit 40 Jahren fängt das Leben für Frauen erst an, zumindest gibt es für sie eine zweite Chance. Sie haben früh geheiratet und Kinder großgezogen, die nun den Haushalt verlassen haben oder es bald tun werden. Somit ergibt sich die Gelegenheit, sich um eine Lohnarbeit zu bemühen oder ein Unternehmen zu gründen. So begründet - oder rechtfertigt - Khawla al-Sheikh, die erste lizenzierte Klempnerin Jordaniens, ihre Arbeit.

Um ein radikalfeministisches Unterfangen handelt es sich also nicht, und auch die Marktlücke, die die Klempnerinnen füllen wollen, unterliegt dem strikten patriarchalen Verhaltenskodex. Eine Frau darf sich nicht allein mit einem Mann in der Wohnung aufhalten, folglich auch keinem Handwerker die Tür öffnen. Wohl aber einer Handwerkerin. Angesichts der extrem niedrigen Frauenerwerbsquote Jordaniens von etwa 14 Prozent gibt es eine Menge potenzieller Aufträge.

Daniela Königs Film »Waterproof« begleitet Khawla al-Sheikh und die Frauen, die sie in einer NGO ausbildet, bei ihrer Arbeit, die nicht ganz dem deutschen Klischee »Gas, Wasser, Scheiße« entspricht. Im wasserarmen Jordanien geht es vor allem um die Reparatur von Wassertanks sowie von maroden Leitungen und tropfenden Hähnen. Großen Raum nimmt in dem Film aber auch die Freundschaft zwischen Khawla al-Sheikh und Aysha Umayri ein, beide Frauen gewährten der Dokumentaristin Zugang zu ihrem Privatleben.

Der Film, in dem Männer nur am Rande vorkommen, gibt Einblick in eine Welt, die aufgrund der weitgehenden Geschlechtertrennung auch der männlichen Hälfte der jordanischen Bevölkerung verborgen bleibt: Frauen unter sich. Frauen, die feiern und singen. Frauengespräche über Arbeit, Unternehmensgründung, aber auch die Frage, wie man den passenden Mann erkennt. Khawla al-Sheikh hat ihr Haar gefärbt und trägt es offen. Aber sie hätte wohl keine Chance gehabt, die erste Klempnerin des Landes zu werden, wenn sie die nötigen Fertigkeiten nicht in der Firma ihres Ehemannes hätte erlernen können. Die meisten ihrer Mitarbeiterinnen kleiden sich konservativ und tragen ein Kopftuch.

Es geht hier nicht um offene Rebellion, sondern um zähe Selbstbehauptung und den Kampf um einen besseren Platz in einer Gesellschaft, die im Wandel begriffen ist. Auch das konservative Königshaus hat erkannt, dass der Ausschluss der Frauen von Erwerbsarbeit und Geschäftsleben ein Entwicklungshindernis ist. Als Aysha Umayri in den umliegenden Geschäften stolz die Visitenkarte ihrer neuen Firma verteilt, reagieren die Männer positiv. Mit dem Vorurteil, eine Frau könne so eine Arbeit nicht bewältigen, haben die Klempnerinnen dennoch zu kämpfen. So fragt etwa der Fahrer eines Wassertransporters, ob denn kein Mann da sei, obwohl es nur darum geht, einen Schlauch an einen Tank anzuschließen.

Es geht natürlich auch um Geld, darum, den Lebensunterhalt zu verdienen wie Aysha Umayri, deren Ehemann gestorben ist, oder das dürftige Gehalt des Ehemannes aufzubessern. Um Geld gibt es schließlich auch Streit. Khawla al-Sheikh gerät unter Korruptionsverdacht, sie hat für die NGO Werkzeuge von der Firma ihres Mannes gemietet. War das die billigste Option? Lief alles ordnungsgemäß ab? Das Verfahren endet mit einem Freispruch. Doch in den Krisengesprächen in der NGO, die sich in Auflösung befindet, wird deutlich, dass manche zögern, sich mit Khawla al-Sheikh zu solidarisieren, wie diese es erwartet und fordert. Auch die Freundschaft mit Aysha Umayri wird belastet. Es bleibt unklar, ob die Anzeige von einer unzufriedenen Mitarbeiterin oder einem neidischen Patriarchen gestellt wurde. Dass der Übergang von der solidarischen Arbeit in der NGO zur Unternehmenstätigkeit, die die Frauen potenziell auch in Konkurrenz zueinander setzt, nicht konfliktfrei verläuft, ist letztlich nicht verwunderlich.

Auch in dieser Auseinandersetzung beobachtet die Filmemacherin ihre Protagonistinnen, ohne zu werten oder Partei zu ergreifen. Sie war nicht die Erste - die jordanischen Klempnerinnen fanden immer wieder das Interesse der Medien; und wer sehr wenig Zeit hat, findet bei CNN und Youtube kurze Clips über Khawla al-Sheikhs Arbeit. Aber es lohnt sich, die längere Version anzuschauen und Einblick in eine Welt zu nehmen, die anders, aber so fremd dann doch wieder nicht ist. In Deutschland lag im Jahr 2010 der Frauenanteil im Gewerbe der Gas- und Wasserinstallation (die Klempnerei ist jenseits der Umgangssprache ein Zweig der Metallbearbeitung) bei nur 1,2 Prozent.

»Waterproof«, Deutschland 2019. Dokumentarfilm. Buch/Regie: Daniela König. 88 Min.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal