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Was tun gegen den Femonationalismus?

Juliane Lang und Frauke Büttner klären auf über die Methode, feministische Ideale für Kampagnen gegen Flüchtlinge zu missbrauchen

Die AfD sei die einzige Partei, die Frauenrechte verteidigt, weil sie sich gegen die Einwanderung der frauenverachtenden islamischen Kultur stemme. So argumentierte die brandenburgische Landtagsabgeordnete Birgit Bessin (AfD). Zugleich mokierte sie sich über »unsinnige Quotenregelungen und völlig alberne feministische Sprachregelungen«.

Wer ein bisschen im Thema stecke, könne die Absicht leicht erkennen und das Vorgehen entlarven, meint Christina Bonk, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Gleichstellungsbeauftragter. Wer aber ohne Vorwissen so etwas höre, für den sei es womöglich kompliziert, das zu durchschauen. Juliane Lang von der Justus-Liebig-Universität Gießen nennt es Femonationalismus. So habe die Wissenschaftlerin Sara Farris die Methode bezeichnet, feministische Ideale für Kampagnen gegen Migranten und gegen den Islam zu vereinnahmen. Leyla Bilge, die bei der Landtagswahl 2019 für die AfD antrat, hat das beispielsweise mit ihren Frauenmärschen getan, bei denen Flüchtlinge aus islamischen Staaten pauschal als sexsüchtige Vergewaltiger hingestellt wurden.

Auf Wahlplakaten zeige die AfD gern Frauen, in der Partei gebe es vergleichsweise wenige weibliche Mitglieder, ihr Anteil liege nur bei rund 22 Prozent, erklärt Juliane Lang. Frauen dienten aber der »Kronzeugen-Strategie«. Dabei werde argumentiert, wenn auch Frauen dies oder jenes sagen, zum Beispiel Frauenquoten ablehnen, dann könne es ja nicht frauenfeindlich sein, wenn die Männer das genauso tun. Frauen machen in der AfD gemeinsam mit Männern eine antifeministische Politik. Mit Anfragen und Anträgen, die sie in verschiedenen Parlamenten zum angeblichen Genderwahn stellen, binden sie mittlerweile Ressourcen von Gleichstellungsbeauftragten, die gezwungen sind, darauf zu reagieren. Auch die Geschlechterforschung leidet langsam unter dem Klima, das von den Verunglimpfungen der AfD erzeugt wird. Ressentiments gegen die Gender Studies gebe es allerdings nicht allein bei der AfD, sondern auch in konservativen Kreisen, erzählt Lang.

Wie damit umgehen, wenn extreme Rechte altbackene Vorstellungen von Männlichkeit, von der Familie und von der Rolle der Frau verbreiten - bis hin zu der reaktionären Ansicht, dass Frauen an den Herd gehören? Mit dieser und ähnlichen Fragen beschäftigen sich Juliane Lang und Frauke Büttner, Leiterin der Geschäftsstelle des brandenburgischen Aktionsbündnisses gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Beide engagieren sich im Forschungsnetzwerk »Frauen und Rechtsextremismus«, Juliane Lang hält Vorträge zu der Problematik, zuletzt zum Beispiel im Rahmen eines Workshops bei der Brandenburgischen Frauenwoche.

Man weiß inzwischen, dass die Hälfte der Menschen mit rassistischen Einstellungen weiblich sind. »Die Annahme, dass Frauen menschlicher denken und damit automatisch weniger rassistisch, lässt sich nicht bestätigen«, erläutert Lang.

Frauen tendieren aber seltener dazu als Männer, rassistische Parteien zu wählen. Nur etwa ein Drittel der Wähler solcher Parteien sind weiblich. Es gilt auch die Faustregel: »Je gewaltbereiter eine Organisation, umso weniger Frauen machen da mit.« Nur bis zu zehn Prozent der rechten Gewalttaten werden von Frauen verübt, wenn man der Statistik glaube, sagt Juliane Lang. Ein gewisses Misstrauen sei dabei allerdings angebracht. Denn die Statistik richtet sich nach den verurteilten Tätern. Rechte Übergriffe werden aber oft aus Gruppen heraus verübt. Polizisten glaubten oft, dass Frauen keine Gewalttaten verüben. Deshalb notieren sie Frauen erst gar nicht als mögliche Verdächtige, wenn sie diese am Tatort in einer Gruppe mit Männern antreffen, sondern nur als Zeuginnen.

Beim Umgang mit Rechtsextremisten, die Sachverhalte verkürzt und verdreht darstellen, rät Frauke Büttner, sich selbst zu fragen: »Will ich diese Person überzeugen, kann ich das überhaupt, oder muss sich andere ansprechen?« Denn es zeigt sich immer wieder, dass Rechtsextremisten auch mit eindeutigen statistischen Beweisen und guten Argumenten nicht von ihrer verqueren Weltsicht abzubringen sind. Sie glauben nur, was sie glauben wollen. Der Versuch der Aufklärung lohnt sich nur bei Menschen, die nicht derart starrköpfig sind.

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