Das letzte Spielfeld

Acht Schachspieler kämpfen in Jekaterinburg um die Teilnahme am WM-Finale

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Aller Panik zum Trotz treten in Russland die besten Schachspieler der Welt im Vorentscheid für die Weltmeisterschaft an. Bis Anfang April wollen sie einen Sieger finden. Es könnte für eine Weile das letzte große Sportevent werden.

Von Marion Bergermann

Zumindest nach offiziellen Zahlen hat der Coronavirus in Russland noch nicht so stark eingeschlagen. Dort treten seit Dienstag acht Schachprofis an, um den Weltmeister Magnus Carlsen im Titelkampf herausfordern zu dürfen. Der internationale Schachverband FIDE hatte an dem Termin festgehalten. So findet das Turnier in Jekaterinburg im Südwesten des Landes mit Vorsichtsmaßnahmen statt. Auch wenn bei den Spielern zweimal am Tag die Temperatur gemessen wird und der Spielsaal im Fünf-Sterne-Hotel von den Zuschauern abgetrennt ist, sind einige der Schachgroßmeister zusätzlich vorsichtig.

Bei der Partie am ersten Spieltag wollte der ehemalige Weltmeister Anatoly Karpov den beiden Spielern die Hand schütteln, nachdem er den Eröffnungszug gemacht hatte. Der Niederländer Anish Giri erwiderte den Handschlag, der Russe Ian Nepomniachtchi quittierte die Geste mit einem leichten Kopfschütteln und reichte seinem Landsmann nicht die Hand.

Die acht Teilnehmer spielen in den kommenden Wochen in 14 Runden je zweimal gegeneinander. Ein Sieg gibt einen Punkt, bei einem Remis erhalten beide Spieler jeweils 0,5 Zähler. Im Fall eines Punktgleichstandes am Ende entscheidet erst der direkte Vergleich, dann die Anzahl der gewonnen Partien. Als letzte Möglichkeit der Siegerermittlung ist ein Tiebreak im Schnellschach vorgesehen.

Bis zum 3. April soll das Turnier gehen, dessen Sieger Ende des Jahres gegen Carlsen antreten wird. Der 29-Jährige ist durch seine vielen Erfolge auch über die Schachszene hinaus sehr bekannt geworden. Seit 2011 führt der Norweger die Weltrangliste an, im vergangenen Jahr wurde er auch Weltmeister im Schnellschach. Aber in Jekaterinburg geht es nicht nur um das Antrittsrecht gegen den Star der Szene. Mit 500 000 Euro Preisgeld ist so viel wie nie zuvor bei einem Kandidatenturnier zu gewinnen.

Als Favorit in der russischen Metropole gilt bisher der Italo-Amerikaner Fabio Caruana. Bei der letzten WM verlor er erst spät gegen Magnus Carlsen, im Schnellschach-Tiebreak mit 0:3. Anfang dieses Jahres siegte er sogar schon einmal gegen den Norweger: Beim Superturnier im niederländischen Wijk aan Zee gewann Caruana mit zwei Punkten Vorsprung auf den amtierenden Weltmeister. Ding Liren ging ebenfalls aussichtsreich ins Rennen. Der Chinese reiste schon Anfang März nach Russland und verbrachte vorsichtshalber 14 Tage in Quarantäne in Moskau. Am Dienstag verlor er jedoch mit dem Anzugsvorteil der weißen Figuren gegen seinen Landsmann Wang Hao.

Für den Gastgeber Russland sind drei Kandidaten am Start. Neben Nepomnjaschtschi treten der erfahrene Alexander Grischtschuk und Kirill Alexejenko an. Der 22-jährige Alexejenko darf durch eine Wildcard dabei sein, die der russische Schachverband als Veranstalter vergeben konnte. Der Gewinner des FIDE Worldcup 2019, Teymur Radjabov, trat hingegen Anfang März aus Sorge vor dem Coronavirus von seinem Startrecht in Jekaterinburg zurück. Der 33-Jährige aus Aserbaidschan war laut dem Schachportal »Chessbase.com« nicht mit den Sicherheitsmaßnahmen gegen das Coronavirus einverstanden. Er hatte vorgeschlagen, das Turnier zu verlegen. Der Weltverband weigerte sich und Radjabov schrieb auf seinem Instagramprofil, dass Entscheidungsträger auf der ganzen Welt gerade die richtigen Entscheidungen träfen, um den Virus zu bekämpfen. Und ergänzte verärgert: »Schach sollte ein Beispiel für Logik und Intelligenz sein. Ich wurde Opfer einer Situation, aber es muss immer einen geben, der leidet, bevor alle verstehen, was los ist.«

Statt Radjabov ist nun der 29-jährige Maxime Vachier-Lagrave aus Frankreich dabei, der am Mittwoch dem Chinesen Ding Liren die zweite Niederlage bescherte.

Ob der WM-Vorentscheid wirklich bis zum 3. April ausgetragen wird, ist noch unklar. Der Wettbewerb, der gerade in Deutschland läuft, kann dagegen nicht durch Ansteckungen durcheinander gebracht werden. Die seit Anfang März laufende erste deutsche Internet-Schachmeisterschaft findet online statt. »Das ist natürlich ein Zufall vom Timing her. Aber viele Vereine und Landesverbände bieten jetzt Turniere im Internet an«, sagte der Präsident des Deutschen Schachbundes, Ullrich Krause.

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