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Hohe Kosten der Corona-Krise - Halle verhängt Haushaltssperre +++ Verwaltungsgericht Potsdam: Trotz Abstand keine »Seebrücke«-Demo am Landtag

Der Newsblog zur Coronakrise - Freitag, 10.04.2020

  • Lesedauer: 8 Min.

14.40 Uhr: Hohe Kosten der Corona-Krise - Halle verhängt Haushaltssperre
Die verschuldete Stadt Halle steckt mitten in der Corona-Krise in neuen finanziellen Nöten. Er habe am Donnerstag eine Haushaltssperre verhängen müssen, sagte Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) am Freitag. Nach diesem Schritt kann die bevölkerungsreichste Stadt in Sachsen-Anhalt jetzt nur noch Pflichtaufgaben finanzieren. Wiegand begründete den Schritt mit den Kosten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Einer Prognose zufolge beliefen sich diese auf mindestens 200 Millionen Euro.

Diese Summe könne Halle unmöglich allein aufbringen, sagte Wiegand. Der Stadtchef hofft auf Unterstützung vom Land oder vom Bund. Er verwies unter anderem auf die jüngste Forderung vom Städtetagspräsidenten und Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) nach einem Schutzschirm für die Kommunen, also finanzielle Hilfen. Kommunalvertreter rechnen damit, dass der Wegfall von Steuereinnahmen wegen geschlossener Betriebe und die Kosten zur Bekämpfung der Corona-Krise vielerorts in Haushaltssperren münden könnten. Es sei richtig, diesen kommunalen Rettungsschirm zu fordern, sagte Wiegand.

Halle schiebt seit Jahren einen hohen Altschuldenberg vor sich her und ist zum Abbau verpflichtet. Wiegand will daher ungern neue Schulden machen, um die aktuelle Finanzklemme zu beheben. Der Stadtrat soll Ende April über die Situation beraten. Zudem ist die Stadt Wiegand zufolge mit dem Landesverwaltungsamt im Gespräch, das die kommunalen Finanzen prüft und auch Ausnahmen genehmigen kann.

12.45 Uhr: Verwaltungsgericht Potsdam: Trotz Abstand keine »Seebrücke«-Demo am Landtag
Eine von der Initiative »Seebrücke« am Ostersonntag geplante Menschenkette am Landtag in Potsdam darf nicht stattfinden. Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichtes Potsdam lehnte am Donnerstag eine Ausnahme vom allgemeinen Versammlungsverbot zur Eindämmung des Coronavirus ab. Das befristete Verbot sei eine »derzeit notwendige und angemessene Schutzmaßnahme« des Infektionsschutzgesetzes, um die weitere Verbreitung von Infektionen zu verhindern, hieß es. Aus dem vom Veranstalter für die »Menschenkette« vorgesehene Maßnahmenkatalog sei nicht ersichtlich, dass dem Infektionsschutz hinreichend Rechnung getragen werden könne. Eine Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Oberverwaltungsgericht wurde zugelassen. Die Initiative »Seebrücke« wollte mit der Menschenkette für eine Evakuierung der Flüchtlingslager in Griechenland demonstrieren. Die Teilnehmer sollen einen Abstand von mindestens drei Metern voneinander einhalten, schon bei der Anreise Abstand halten und Mundschutz tragen. Die Polizei hatte die Veranstaltung untersagt. Dagegen hatte die »Seebrücke« versucht, mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht vorzugehen.

Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte zuvor die Erwartung geäußert, »dass die Initiatoren einen kreativen Umgang finden, um dem inhaltlichen Anliegen Ausdruck zu verleihen«. Die Stadt werde sich jedoch nicht aktiv beteiligen. Die Linke-Landesvorsitzende Katharina Slanina hatte die Demonstration unterstützt. »Gerade in einer Krisensituation wie der jetzigen, muss sich die Krisenfestigkeit einer Demokratie erweisen, müssen rechtsstaatliche Prinzipien gelten«, sagte sie. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dürfe nicht auf Grundlage einer Rechtsverordnung versagt werden.

11.50 Uhr: Hunderttausende unterstützen online Forderung nach Corona-Zulagen
Mehr als 290.000 Unterzeichner haben sich bisher einer Online-Petition angeschlossen, mit der kurzfristig eine Gehaltszulage für Klinikpersonal in der Corona-Krise gefordert wird. Initiiert wurde der Aufruf durch die Kampagnenplattform Campact in Verden bei Bremen. Eine zweite Petition für ein Ende der Sparpolitik im Gesundheitswesen auf dem Portal der Organisation unterzeichneten bisher fast 150.000 Unterstützer. »Der Druck auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wächst, nach Ostern endlich bundesweit mehr für das Klinikpersonal zu tun«, sagte am Freitag Campact-Sprecherin Svenja Koch.

Es gehe kurzfristig um eine Gehaltszulage für die Beschäftigten in der Corona-Krise und langfristig um ein Ende des Sparzwangs im Gesundheitswesen, fasste Koch die Forderungen zusammen. »Wir müssen den Menschen und nicht den Profit ins Zentrum stellen«, sagte Ulla Hedemann, Pflegekraft auf einer Kinderintensivstation. Sie arbeitet an der Charité in Berlin und hat die Petition gegen die Sparpolitik gestartet.

Auf den Corona-Stationen litten die Mitarbeitenden unter bedrückenden Arbeitsbedingungen, fasste Campact die Lage zusammen. Wenn jetzt immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkrankten, werde der Druck auf die verbleibenden medizinischen Fachkräfte noch größer. »Schon vor der Corona-Pandemie musste jedes dritte Krankenhaus Intensivbetten wegen Personalmangels leer stehen lassen«, sagte Campact-Vorstand Felix Kolb. Obwohl in den Kliniken die Zahl der Patienten in den vergangenen 20 Jahren um ein Fünftel gestiegen sei, sei die Personaldecke um acht Prozent ausgedünnt worden.

»Wenn der Minister jetzt von der schrittweisen Rückkehr zur Normalität nach Ostern spricht, übersieht er die Situation des Klinikpersonals. Deren Normalität bestand schon vor Corona aus chronischer Überlastung und Unterbesetzung«, sagte Kolb. »Das muss Spahn nach Ostern dringend ändern: Die Gehaltszulagen müssen bundesweit her und es braucht mehr Personal.« Bisher hätten nur Schleswig-Holstein und Bayern entschieden, einen Corona-Bonus zu zahlen. Im Norden seien es 1.500 Euro, in Bayern 500 Euro. Die Bundesregierung hat bisher nur beschlossen, dass Bonuszahlungen bis 1.500 Euro von der Steuer freigestellt werden.

10.25 Uhr: Kuba stoppt öffentliche Verkehrsmittel und schließt große Geschäfte
Kubas Regierung hat im Kampf gegen das Coronavirus angeordnet, öffentliche Verkehrsmittel stillzulegen und große Geschäfte zu schließen. Auch Taxis dürfen nicht mehr fahren, wie Verkehrsminister Eduardo Rodríguez am Donnerstag im Staatsfernsehen bekanntgab.

Kuba hat bisher 515 bestätigte Infektionsfälle mit demCoronavirus gemeldet, 15 Menschen sind gestorben. Nachdem zunächst vor allem Ausländer betroffen waren, wurden inzwischen auch erste Übertragungsketten im Inland nachgewiesen. Um die weitere Ausbreitung einzudämmen, wurden sechs Gebiete auf der Karibikinsel unter Quarantäne gestellt und die Grenzen für ausländische Besucher geschlossen.

Die Regierung hat die Bevölkerung zudem aufgefordert, Abstand zu halten und möglichst zu Hause zu bleiben. Ausnahmen gelten für den Weg zur Arbeit und den Güterverkehr. Trotzdem seien zuletzt noch zu viele Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen, sagte der Verkehrsminister.

EU einigt sich auf 500-Milliarden-Paket - keine Einigung auf Bonds

Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben die EU-Staaten ein Hilfspaket von mehr als 500 Milliarden Euro für Arbeitnehmer, Firmen und schlingernde Staaten geschnürt. Die Einigung erzielten die Finanzminister am späten Donnerstagabend nach extrem langwierigen und schwierigen Verhandlungen. Deutschlands Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigte sich zufrieden. »Heute ist ein großer Tag europäischer Solidarität und auch Stärke«, sagte der SPD-Politiker in Berlin.

Eurogruppen-Chef Mario Centeno sprach von einem beispiellosen Paket gegen eine Krise von beispiellosem Ausmaß. »Das ist eine riesige Anstrengung«, sagte der portugiesische Finanzminister. Die Einigung sei gemessen daran schnell gelungen. Die Verhandlungen in diversen Runden hatten allerdings drei Tage gedauert. Und am Ende wurden wichtige Streitpunkte vertagt, auch die Frage der gemeinschaftlichen Schuldenaufnahme über sogenannte Corona-Bonds.

Drei Sicherheitsnetze

Das nun vereinbarte Paket enthält drei Punkte - nach Centenos Worten jeweils ein »Sicherheitsnetz« für Jobs, für kleine und mittlere Unternehmen und für angeschlagene Staaten wie Italien oder Spanien, die ohnehin verschuldet sind und nun auch noch von der Corona-Pandemie schwer getroffen werden.

Als Hilfe für Staaten sind vorsorgliche Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM von bis zu 240 Milliarden Euro vorgesehen; für Unternehmen soll es ein besonderes Kreditprogramm der Europäischen Investitionsbank EIB geben, das 200 Milliarden Euro mobilisieren soll; und Arbeitnehmern soll das von der EU-Kommission vorgeschlagene Kurzarbeiter-Programm namens »Sure« im Umfang von 100 Milliarden Euro zugute kommen.

Sterit um Bedingungen

Bis zuletzt umstritten waren die Bedingungen für den Zugang zu den ESM-Kreditlinien, die bis zu zwei Prozent der Wirtschaftskraft des Empfängerlands betragen können. Die Niederlande wollten ursprünglich scharfe Vorgaben, was Italien und andere Länder aber ablehnten. Als Kompromiss wurde nun vereinbart, dass die ESM-Kredite zwar nicht mit Bedingungen verknüpft sind, das Geld aber nur für direkte und indirekte Gesundheitskosten genutzt werden darf.

Diese Vereinbarung sei vollkommen eindeutig, sagte der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra am Abend. Werde Geld für wirtschaftliche Folgen der Krise aus dem ESM gebraucht, müssten die üblichen strengen Reformzusagen gemacht werden. Der italienische Finanzminister Roberto Gualtieri feierte das Paket dennoch als großen Erfolg für seine Regierung. Das ESM-Programm soll bereits in zwei Wochen bereit stehen, wie ESM-Chef Klaus Regling sagte.

Ein neuer Wiederaufbaufonds

Der ESM war 2012 auf dem Höhepunkt der Euroschuldenkrise gegründet worden. Gesichert durch Einlagen der Eurostaaten nimmt er Kredite am Kapitalmarkt auf und reicht sie unter bestimmten Auflagen an Staaten weiter, die selbst am Markt höhere Zinsen zahlen müssten oder keine Kredite mehr bekämen.

Nun soll zusätzlich ein neuer »Recovery Funds« zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung geschaffen werden. Auch das ist Teil der Einigung. Die Details sind allerdings alle offen, auch die Finanzierungsquellen. Einige Staaten wollen dafür Gemeinschaftsanleihen ausgeben, während andere - darunter Deutschland - Corona-Bonds ablehnen.

Der Niederländer Hoekstra sagte, der Text sei hier bewusst vage - jeder könne ihn im eigenen Sinne auslegen. Aber für ihn gelte: »Eurobonds sind etwas, was für mich nicht in Ordnung war, nicht in Ordnung ist und auch nie in Ordnung sein wird.«

Unterstützung der Kanzlerin

Auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag noch einmal Gemeinschaftsanleihen abgelehnt, sich aber ausdrücklich hinter das Rettungspaket mit den drei Elementen ESM, EIB und »Sure« gestellt. Die drei Punkte summierten sich auf viele Milliarden, sagte die Kanzlerin. Zusätzlich müsse es nach der Krise ein Konjunkturprogramm für Wirtschaft und Arbeitsplätze geben. »An dem wird sich Deutschland auch beteiligen«, sagte sie. Auch die Beratungen über den EU-Etat stünden jetzt unter ganz anderen Vorzeichen.

Finanzminister Scholz betonte, man habe nun »drei starke Antworten« auf die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Krise gefunden. »Es geht um die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, es geht um die Sicherheit von Arbeitsplätzen und es geht darum, dass viele Unternehmen in dieser Krise bestehen bleiben«, sagte er. Auch der französische Finanzminister Bruno Le Maire sprach auf Twitter von einem exzellenten Kompromiss.

Die ersten Reaktionen anderer Politiker fielen verhaltener aus. EU-Parlamentspräsident David Sassoli schrieb auf Twitter, die Schritte gingen in die richtige Richtung. Der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold meinte, zumindest sei eine Blamage vermieden worden. »Es war für den Ruf Europas von großer Wichtigkeit, dass eine Einigung auf den letzten Metern geglückt ist.«

Agenturen/nd

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