Machtkampf in der Eurozone

Stephan Kaufmann über Pandemie und Konkurrenz

In Zeiten von Corona ist zwar viel von Kranken und Viren die Rede, vom Schutz der Bevölkerung, von Masken und Beatmungsgeräten, von Hilfen für Arme und Unternehmen und von Solidarität. All das läuft aber am Ende auf eine Frage hinaus: die Finanzierung. Mangels eigener Mittel müssen sich die Regierungen verschulden, um gegen das Virus anzukämpfen. Am Bett jeder einzelnen Volkswirtschaft sitzt also quasi ein Finanzier mit der Frage, ob sich der Kranke denn seine Rettung überhaupt leisten kann?

Derzeit zeigt sich abermals, dass die Macht eines Staates nicht zuletzt in seiner Kreditwürdigkeit besteht. Hier ist die Staatenwelt stark gestaffelt. Ganz oben sitzen die USA, die sich freihändig verschulden können, da alle Welt ihrer Macht und Währung vertraut. Ebenfalls auf den Dollar verlassen kann sich die US-Zentralbank, die mittlerweile für Aberbillionen US-Schuldscheine aufkauft und dadurch US-Dollar in die Welt pumpt. Ohne Probleme, der Dollar ist stabil. Am unteren Ende sitzen die armen Länder mit schwachen Währungen, die aus Sicht der Finanzmärkte als kreditunwürdig gelten. Rund 90 Staaten mussten sich daher an den Internationalen Währungsfonds mit der Bitte um zinsgünstige Kredite wenden.

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Und die Eurozone? Sie verfügt über eine starke Weltwährung und über eine sehr gute Kreditwürdigkeit. Sie hätte also Zugriff auf die nötigen Mittel. Doch ist die Eurozone zwar eine Währungsgemeinschaft, allerdings eine Gemeinschaft der Konkurrenten, die eifersüchtig nachrechnen, wer welche Vorteile aus der gemeinsamen Währung hat. Der Streit um Coronabonds zeigt, dass dieser Machtkampf den ökonomisch potenten Euro-Staaten offensichtlich wichtiger ist, als seine Opfer in der Peripherie.

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