Drei Wochen Abschiebehaft sind zuviel

Bundesgerichtshof stärkt Rechte von Ausreisepflichtigen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einer Entscheidung die Rechte von abgelehnten Asylbewerbern gestärkt, die abgeschoben werden sollen. Die pauschale Begründung der Behörden, die Buchung des Abschiebeflugs brauche drei Wochen Vorlauf, rechtfertige es nicht, jemanden so lange in Haft zu nehmen, entschieden die obersten Zivilrichter jetzt in einem Fall aus Düsseldorf.

Ein Mann aus Bosnien-Herzegowina, der nach einer Strafhaft aus Deutschland in sein Heimatland abgeschoben wurde, hatte Beschwerde gegen die Abschiebehaft eingelegt. Am 2. November 2017 war er im Rahmen einer Weihnachtsamnestie aus einen Gefängnis in Nordrhein-Westfalen entlassen worden. Doch er musste im Gefängnis bleiben, denn noch am selben Tag hatte das Amtsgericht Düsseldorf auf Antrag der zuständigen Behörde eine knapp vierwöchige Abschiebehaft angeordnet. Die Vorlaufzeit für die Flugbuchung liege nach Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebungen (ZFA) bei drei Wochen liege, war dies begründet worden.

Den BGH-Richter*innen reichte dies als Rechtfertigung für einen so gravierenden Eingriff in die Freiheitsrechte nicht aus. Die beantragte Haftdauer sei »nicht so kurz, als dass sich ihre Notwendigkeit von selbst verstünde, zumal die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen sollte«, heißt es in ihrem am Dienstag veröffentlichten Beschluss (Az. XIII ZB 16/19). Die Haft hätte unter diesen Voraussetzungen nicht angeordnet werden dürfen. Stattdessen hätte es einer genaueren Begründung bedurft, warum eine Abschiebung – sie erfolgte im konkreten Fall am 28. November 2017 – nicht zu einen früheren Datum möglich sei.

Die Reaktionen auf den Beschluss waren unterschiedlich. Jetzt müssten die Behörden die Dauer der Abschiebehaft besser begründen und vor der Verhängung die Flugpläne genauer studieren, hieß es in mehreren Kommentaren. Antirassistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Initiativen begrüßten die BGH-Entscheidung hingegen als Stärkung der Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie könnte dieser Beschluss von Bedeutung sein. Denn obwohl der internationale Flugverkehr weitgehend stillgelegt wurde und in den meisten Ländern Einreiseverbote verhängt wurden, sitzen in mehreren deutschen Bundesländern Menschen weiterhin in Abschiebehaft.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International lehnt Einzelabschiebungen während der Corona-Krise grundsätzlich ab. Bereits Anfang April hatte sie das Bundesinnenministerium aufgefordert, »von diesen absurden und unverantwortlichen Maßnahmen Abstand zu nehmen«. Für die Dauer der Pandemie müsse es einen generellen Stopp der Rückführungen geben, alle Abschiebehäftlinge müssten entlassen werden.

Doch die Realität sieht anders. So sitzt in Darmstadt seit Mitte Februar der US-Bürger Jason P. in Abschiebehaft, der jahrelang in Fulda lebte. Er soll in die Vereinigten Staaten abgeschoben worden, wo er weder Verwandte noch andere Bezüge hat. Silke Born-Gotta, Anwältin von P., hat Ende März die Freilassung ihres Mandanten beantragt. Dessen Abschiebung sei »aufgrund aktueller US-Einreisebestimmungen auf unbestimmte Zeit nicht realisierbar, so dass die Haftanordnung umgehend aufzuheben und der Betroffene freizulassen ist«, begründete sie dies. Die Abschiebehaft gegen Jason P. wurde dennoch verlängert.

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