Rekordtiefe Bauzinsen: Jetzt oder nie die Chance nutzen?

Baudarlehen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Das »Schlimmste« schien vorbei zu sein. Im 4. Quartal 2019 stiegen die Bauzinsen wieder an. Zu Jahresbeginn 2020 kam es erneut zu einem leichten Abfall. Das von China ausgehende Corona-Virus sorgte für zusätzliche Unsicherheit an den Märkten, da das Ausmaß der Epidemie und deren globale wirtschaftliche Folgen nicht zuverlässig eingeschätzt werden können.

Reaktionen der Investoren auf die Corona-Krise

Corona führte dann dazu, dass Investoren ihr Kapital verstärkt in sichere Anlagen umschichteten. »Vor diesem Hintergrund dürften auch die Bauzinsen vorerst auf einem historisch niedrigen Niveau verharren«, sind die Volkswirte einer der ältesten deutschen Bausparkasse, der BHW, überzeugt. Selbst wenn die Virus-Epidemie schneller abflauen sollte, sei kein nennenswerter Zinsanstieg zu erwarten.

Diese Einschätzung der »Tochter« der Postbank, die wiederum ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank ist, wird von vielen Bankanalysten und Wirtschaftswissenschaftlern geteilt. Eher könnten die Preise für Immobiliendarlehen noch weiter sinken. Schließlich haben die Europäische Zentralbank (EZB), die US-Notenbank Fed und weitere wichtige Zentralbanken im März ihre Geldpolitik radikal gelockert. Gleichzeitig befindet sich die Inflation im Euroraum auf einem moderaten Niveau, während sich die Konjunktur 2020 bestenfalls nur langsam erholen dürfte.

Kardinalfehler bei der Baufinanzierung

Doch gerade das besonders niedrige Zinsumfeld verleite zu übereilten Entscheidungen, warnt Stephan Scharfenorth, Geschäftsführer des Finanzierungsvermittlers Baufi24. Ein Kardinalfehler sei es etwa, die eigenen Finanzen nicht genau zu kennen. Leider ist dies in der Praxis oft der Fall. Dazu gehören neben allen Einnahmen und Ausgaben auch die Absicherung im Alter, weitere zukünftig anfallende Kosten sowie relevante Änderungen im Lebensumfeld.

Angesichts der schwierigen Lage der Banken und Sparkassen durch die Niedrigzinsen ist die Risikoneigung in den Instituten wieder angestiegen: Viele Banken bieten so eine Baufinanzierung sogar ohne Eigenkapital an. Die ist aber hochriskant.

Verbraucher sollten sich also nicht einfach auf den Rat eines Bankberaters verlassen. Ausreichend Eigenkapital, in der Regel 20 bis 30 Prozent der Bausumme, bringt gleich mehrere Vorteile mit sich. Zum einen gewähren Banken Kredite aufgrund des verringerten Risikos einfacher, zum anderen wird die Finanzierung für den Kreditnehmer (noch) günstiger.

Ein weiterer Kardinalfehler: Durch die niedrigen Zinssätze erscheinen die Raten fürs Baudarlehen meist günstiger als die monatliche Miete. Deshalb überstürzen viele Interessenten den Abschluss einer Baufinanzierung, ohne dass sie vorher genügend Eigenkapital angespart zu haben.

Tilgungssatz bis fünf Prozent

Im nächsten Schritt verleiten die niedrigen Kreditkosten oft zu einem sehr niedrigen Tilgungssatz. Dabei entscheidet die Wahl des Tilgungssatzes letztlich über die tatsächlichen Kosten, die am Ende ein Hausbau oder der Kauf einer Immobilie verschlingen.

Bei einem niedrigen Tilgungssatz von etwa nur einem Prozent ist die monatliche Darlehensrate zwar sehr niedrig. Aber die Zeit bis zur Volltilgung des Darlehens kann so bis zu 50 Jahre und länger betragen und Kreditnehmer müssen letztlich viel mehr Zinsen bezahlen.

Bauherren sollten daher mit einem Tilgungssatz von drei bis fünf Prozent starten. Dadurch verringert sich die Laufzeit, und die Zinsbelastung ist insgesamt deutlich niedriger. Obendrein ist das Traumhaus schneller schuldenfrei und gehört ihnen wirklich.

Eine Baufinanzierung sollte in keinem Fall bis an die Grenze der finanziellen Belastbarkeit gehen. Bei der Kalkulation sollten Sie daher an Rücklagen denken. Ohne ein finanzielles Polster können etwa unvorhergesehene Reparaturen oder eine Erhöhung der Grundsteuer - die Bundesregierung arbeitet nach einem Urteil BGH an einer Reform - schnell für ernste Schwierigkeiten sorgen.

Auch nach dem Kauf sollten Baufamilien über eine Notreserve von etwa fünf Monatseinkommen verfügen. Tritt ein Ernstfall, der Verlust der Arbeitsstelle oder gar ein Todesfall ein, kann jede Immobilienfinanzierung schnell ins Wanken geraten.

Deshalb sollten sich Baufamilien gegen Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit absichern. Auch eine Risikolebensversicherung sowie Unfallversicherung können im Ernstfall helfen. Arbeitslosigkeit muss nicht gleichzeitig den Verlust des neuen Eigenheims bedeuten.

Eine Checkliste »Wie viel Haus kann ich mir leisten?« finden Sie im Internet auf verbraucherzentrale.de. Einen praktischen Ratgeber hat der Fachjournalist Thomas Hammer geschrieben: Meine Immobilie finanzieren - Haus oder Wohnung: kaufen, bauen, sanieren. 192 Seiten, 16,90 Euro.

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