Was bringt die Rentenreform nach 2025?

Fragen & Antworten

  • Lesedauer: 4 Min.

Angesichts der Corona-Krise und ihrer ökonomischen Folgen drängen sich viele (auch neue) Fragen im Zusammenhang mit der von der Bundesregierung angekündigten Rentenreform auf. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach legte den Finger in die Wunde: »Der jüngst der Bundesregierung vorgelegte Bericht der Rentenkommission wird sicher noch nicht ausreichen, dafür lässt er zu viele Fragen offen.« Dabei sei es wichtiger denn je, die Sozialversicherungen zukunftsfest zu machen.

Finanzierung und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung müssten langfristig festgelegt werden. »Diese Entscheidungen dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden, denn schon vor der Corona-Krise standen wir vor der Herausforderung, den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge zu bewältigen und zugleich auskömmliche Renten zu sichern.«

Nach den aktuellen Empfehlungen der Rentenkommission dürfte es auf eine umfassende Reform, nicht aber auf einen radikalen Umbau hinauslaufen. Bis 2025 ist von Stabilität die Rede. Doch was kommt danach? Auch wenn gegenwärtig an Stellschrauben - darunter ein noch längeres Arbeiten als bis 67 Jahre - nicht gedreht wird, bleiben »heiße Eisen« gegenwärtig.

Wo ist das Problem?

Im Sommer 2020 steigen die Renten wieder kräftig: in Ostdeutschland um 4,20 Prozent, in Westdeutschland um 3,45 Prozent. Doch das deutsche Rentensystem steht unter Druck. Millionen »Babyboomer« der geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969 drängen in die Rente. Zugleich haben viele Ältere immer länger etwas von ihren Ruhestandsbezügen. Und bei den Einnahmen der Rentenkasse wird es zusehends schwieriger. Kamen 2016 noch 48 Rentner auf 100 Beitragszahler, dürften es 2045 nach einer Modellrechnung der Deutschen Rentenversicherung 70 sein. Das lenkt den Blick auf das Rentenniveau, und wie es durch politische Eingriffe zu stützen wäre.

Was schlägt die Kommission beim Rentenniveau vor?

Die Experten empfehlen weiterhin »Haltelinien«. Da ist eine nach unten beim Rentenniveau. Es zeigt, wie sich eine Standardrente nach 45 Beitragsjahren zum Entgelt eines Durchschnittsverdieners verhält. Sinkt es, heißt das also nicht, dass die individuell gezahlte Rente sinkt, sondern dass sie langsamer steigt als die Verdienste. Bis 2025 soll es bei mindestens 48 Prozent gehalten werden, danach aus Sicht der Kommission zwischen mindestens 44 Prozent und 49 Prozent. Sie rät bei Berechnungen zu einer neuen Bezugsgröße zum Schutz der Rentner, die den Abstand einer verfügbaren Standardrente zum durchschnittlichen Bedarf der Grundsicherung im Alter anzeigt.

Was ist mit den Beiträgen?

Eine »Haltelinie« sollte es auch bei den Beiträgen weiter geben, raten die Experten - aber nach oben. Aktuell liegt der Satz bei 18,6 Prozent des Bruttolohns, wobei die Hälfte der Arbeitgeber trägt. Schon beschlossen ist, dass bis 2025 die 20-Prozent-Marke nicht überschritten werden soll. Für danach empfiehlt die Kommission nun einen Korridor von 20 bis maximal 24 Prozent und ebenfalls eine neue Bezugsgröße für künftige Festlegungen: Mit in den Blick sollen als Schutz der Beitragszahler die gesamten Sozialversicherungsbeiträge und außerdem noch gesetzlich vorgeschriebene Vorsorgeaufwendungen.

Was soll sich bei der privaten Vorsorge tun?

Nicht nur von Verbraucherschützern kommt seit Längerem Kritik an Riester-Verträgen, von denen eher die Finanzbranche profitiere. Da private wie betriebliche Vorsorge stagnieren, sieht die Kommission ebenfalls Handlungsbedarf - aber im bestehenden Rahmen. Sie schlägt vor, Förderinstrumente zu verstärken. Für Riester-Verträge könnte eine staatliche Online-Plattform für provisionsfreie Angebote kommen. Die Lösungsvorschläge blieben auf halber Strecke stehen, monierten aber die Verbraucherzentralen, die für eine staatlich organisierte »Extrarente« als kostengünstigere Riester-Alternative trommeln.

Wie einig war sich die Kommission?

In dem Gremium saßen Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften und Wissenschaftler, aber auch Fachpolitiker der Koalition. Auch deswegen ging es um so etwas wie einen Minimal-Konsens. Es wird schon als Erfolg bewertet, dass überhaupt ein gemeinsames Papier zustande kam - wenn auch mit Sondervoten. So wenden sich Rentenexperte gegen die Empfehlung des Berichts, nicht über ein Anheben der Regelaltersgrenze über 67 Jahre hinaus zu entscheiden. Dieses Aufschieben sei nicht im Interesse der betroffenen Menschen.

Wie sind die Reaktionen?

Richtig zufrieden ist eigentlich kaum jemand, ob Gewerkschaften, Sozialverbände oder Arbeitgeber. Von einer »Farce« sprach Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband. Die Vorschläge seien zaghaft, an »heiße Eisen« habe man sich nicht herangetraut, etwa ein Einbeziehen von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung. Die Gewerkschaften forderten, die Haltelinie beim Rentenniveau müsse bei 48 Prozent bleiben, sonst drohten soziale Härten für Geringverdiener. Die Arbeitgeber wiederum warnten vor steigenden Beitragssätzen.

Wie geht es nun weiter?

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) kündigte bis Herbst konkrete Vorschläge an und will noch bis zur Bundestagswahl 2021 Weichen für die Zeit nach 2025 stellen. Viel Zeit für eine Großoperation ist nicht, denn niemand weiß, welche Folgen die Corona-Krise hat. Ob die Vorschläge der Rentenkommission wirklich eine gute Basis für die Sicherung der gesetzlichen Rente sind, wenn sich die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und damit für Alterssicherung wegen aktueller Entwicklungen deutlich verändern, ist eine völlig offene Frage. dpa/nd

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