»Ohne uns wäre Fußball unmöglich«

Die Bundesligisten wollen unbedingt weiterspielen - angeblich, um ihre Mitarbeiter bezahlen zu können. Geringverdiener bei Subunternehmen erfahren jedoch keine Solidarität.

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Jörg Mokry hatte in den vergangenen Wochen eine unangenehme Aufgabe. Der Chef des Leipziger Security-Unternehmens Löwen-Sicherheit musste sich vorerst von etwa 250 geringfügig Beschäftigten trennen. Mokry ist mit seinem Unternehmen unter anderem für die Absicherung von Bundesligaspielen beim Fußballklub RB Leipzig und beim Handball-Erstligisten DHfK Leipzig zuständig, aber auch von Konzerten und Messen. Dafür beschäftigt er normalerweise viele Mini-Jobber und Mitarbeiter mit nicht mehr als 70 Arbeitstagen im Jahr. Viele von ihnen verdienten sich so etwas dazu, einige lebten aber auch komplett davon.

»Uns hat es voll erwischt, weil unser Hauptaugenmerk auf Events liegt, also Fußballspiele oder Konzerte in der Leipziger Arena«, sagt Mokry. Zwar hat seine Firma in Supermärkten oder Krankenhäusern aufgrund der aktuellen Situation auch neue Aufträge erhalten. »Aber insgesamt bedeutet das für uns große Umsatzeinbußen, gerade was den Eventbereich betrifft«, so Mokry. Seine Mitarbeiter in der Verwaltung musste er auf Kurzarbeit umstellen, immerhin aber bislang keinem Festangestellten kündigen. »Doch die geringfügig Vergüteten musste ich aufgrund der Situation von 100 Prozent auf null setzen«, sagt der Firmenchef.

Die durch das Coronavirus bedingte Wirtschaftskrise ist nicht nur für die millionenschweren Klubs und deren zahlreiche Dienstleister bedrohlich bis existenzgefährdend, sondern auch für die Geringverdiener, die Spieltag für Spieltag den Betrieb in den Stadien am Laufen halten: Kioskmitarbeiter, Ordner, Reinigungskräfte, Mitarbeiter im Service und an den Ticketkassen. Knapp 35 000 Menschen sind laut jüngstem Bundesliga-Report bei Dienstleistern der Klubs rund um den Erst- und Zweitligafußball beschäftigt. Das sind 60 Prozent der 56 000 Menschen, die direkt oder indirekt vom Bundesligafußball leben.

Allein bei Bundesligist RB Leipzig sind nun plötzlich deutlich mehr als 1000 Geringverdiener ohne Jobs, die sonst an jedem Heimspieltag im Stadion tätig sind. Neben den 250 Mitarbeitern von Mokrys Sicherheitsfirma betrifft das noch mehrere Hundert Menschen, die bei anderen Kooperationsunternehmen angestellt waren. Auch der Caterer Gastrobüro musste die Arbeitsverträge »mit dem größten Teil der kurzfristig Beschäftigten« aussetzen. Etwa 550 Mitarbeiter arbeiten sonst an den Spieltagen in den Kiosken und auf den Rängen. Dazu kommen noch Beschäftigte im VIP-Catering sowie Reinigungs- und Servicekräfte.

»Ich glaube, niemand denkt über die Rolle nach, die Menschen wie wir spielen, um Bundesliga-Spieltage zu dem zu machen, was sie sind«, zitierte jüngst die Deutsche Welle eine Mitarbeiterin eines Dienstleisters, die vor Corona alle 14 Tage in einem Bundesligastadion ihrem Job nachging. »Jeder von uns, der im Stadion arbeitet, hält den Betrieb am Laufen: von den Ordnern bis zur Putzfrau. Nicht nur Spieler, Trainer oder Vorstandsmitglieder. Es wird vergessen: Ohne uns wäre ein Fußballspiel einfach nicht möglich.«

Ausfallzahlungen für die geplatzten Veranstaltungen erhalten die Firmen und somit auch deren Mitarbeiter nicht. »Es wird nur das bezahlt, wofür wir beauftragt worden sind und was geleistet wurde«, sagt Security-Chef Mokry. Das sei allerdings nicht nur im Fußball so, sondern auch bei allen anderen Veranstaltungen, betont er.

Solidarität für diejenigen, die vom Kuchen Profifußball eh das kleinste Stück abbekommen, gibt es bislang also kaum. Bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist das auch kein Thema. Empfehlungen an die Klubs diesbezüglich gebe es nicht, teilte ein Sprecher des Ligaverbandes knapp mit. RB Leipzig gab auf Nachfrage immerhin bekannt, dass Verträge mit Dienstleistern, deren Kontrakte in diesem oder im kommenden Sommer ausgelaufen wären, um ein Jahr verlängert wurden, um den Unternehmen eine Perspektive zu bieten. Das betreffe die Dienstleister für Sicherheit, Service und Hostessen, alle Reinigungsunternehmen sowie den VIP-Caterer. Der Klub vermittele zudem einige Subunternehmer an andere Partner. Eine Reinigungsfirma, die sonst für RB tätig ist, putze aktuell in den Konsum-Supermärkten in Leipzig, die gerade erhöhten Bedarf haben. Bei einer Umfrage der Deutschen Welle kündigte die TSG Hoffenheim als einziger Erstligist an, Pläne zur Unterstützung von »dritten Klubpartnern« zu haben.

Wenn die Fußball-Bundesliga wohl im Mai wieder startet, haben die Dienstleister kurzfristig kaum etwas davon. So sind in den Geisterspielplänen der DFL zum Beispiel keinerlei Cateringmitarbeiter und lediglich 64 Ordner vorgesehen. Die 450-Euro-Jobber haben von den Partien vor leeren Rängen also nichts. Immerhin kündigte Jörg Mokry an: »Wenn es wieder läuft, können diese Mitarbeiter auch zurückkommen.«

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