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Monde aus Wasserdampf

Ungewöhnliche Entstehung der großen Uranus-Trabanten.

  • Dirk Eidemüller
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Eisriese Uranus zieht als siebter Planet unseres Sonnensystems weit draußen seine Runden - und tanzt dabei gleich mehrfach aus der Reihe. Während die anderen Planeten eine Eigenrotation aufweisen, deren Achse mehr oder weniger in die gleiche Richtung zeigt wie die Rotationsachse des gesamten Sonnensystems, ist die Drehachse von Uranus um 98 Grad gekippt. Er rotiert also beinahe senkrecht liegend zu seiner Bahnbewegung und zu den anderen großen Himmelskörpern. So ist die Drehachse des Jupiter nur um drei Grad geneigt, die der Erde um etwa 23 Grad. Ähnlich wie bei der Erde, die vor Urzeiten mit einem ungefähr marsgroßen Himmelskörper namens Theia zusammengestoßen ist, ist auch beim Uranus eine planetare Kollision für die eigenartige Rotation verantwortlich.

Uranus weist aber noch einige andere Besonderheiten auf. Er ist nicht nur kälter als der weiter außen liegende Neptun. Auch das Mondsystem erscheint bei genauerer Betrachtung eigentümlich. So besitzt Uranus insgesamt 27 bekannte Monde, deren Gesamtmasse allerdings die geringste unter den Riesenplaneten ist. 18 Monde umkreisen den Planeten um den Äquator. Diese Hauptmonde machen etwa 98 Prozent der Gesamtmasse des Trabantensystems aus. Die anderen neun Monde weisen irreguläre Umlaufbahnen auf, die nicht entlang des Äquators führen. Man geht deshalb davon aus, dass diese Monde erst eine gewisse Zeit nach der Entstehung des Uranus eingefangen worden sind.

Die Bildung der Hauptmonde wirft aber eine Reihe von Fragen auf. Vermutlich wurden sie ähnlich wie der Erdmond in einer Scheibe aus ausgestoßenem planetaren Material gebildet, die sich nach der Planetenkollision um den Uranus gebildet hatte. Darauf weist ihre äquatoriale Bahn hin. Bei bisherigen Simulationen dieses großen Impaktereignisses kamen aber nicht annähernd die beobachteten Mondgrößen und -bahnen zustande, die sich heute beobachten lassen. Ein Team japanischer Astronomen stellte jetzt im Fachjournal »Nature Astronomy« die Ergebnisse aufwendiger Simulationen vor. Danach spielt wohl der hohe Wassergehalt in diesem Bereich eine entscheidende Rolle. Das Wasser führt zu einer Dynamik, die sich von der Bildung des Erdmondes deutlich unterscheidet.

Die fünf Haupttrabanten des Uranus haben Massen von ungefähr einem Zehntausendstel bis zu einem Millionstel der Planetenmasse. Ihre Bahn erstreckt sich bis hin zum 25-fachen des Planetenradius. Wären diese Trabanten unabhängig vom Impaktereignis entstanden, so könnten sie nur komplexe Gezeitenkräfte Stück für Stück auf ihre heutige Bahn gebracht haben. Deutlich plausibler erscheint ihre Entstehung durch jenes Impaktereignis, das auch die Planetenachse gekippt hat. Bisherige Modellierungen haben jedoch zu Trabantensystemen geführt, die von ihrer Ausdehnung eine Größenordnung kleiner und von der Masse her zwei Größenordnungen größer sind als beobachtet.

Bei ihren Simulationen haben die japanischen Forscher deshalb modelliert, wie sich beim Einschlag die Eismassen umgewandelt haben, aus denen Uranus besteht und vermutlich auch der Impaktor großteils bestanden hat. Beide Planeten haben einen vergleichsweise kleinen Gesteinskern, einen Eismantel und eine Atmosphäre mit einem Anteil an Wasserstoff und Helium von drei bis zehn Gewichtsprozent. Als der Impaktor auf Uranus stürzte, sollte die umgesetzte Kollisionsenergie so groß gewesen sein, dass ein beträchtlicher Teil des Wassereises verdampfte. Die Trümmerscheibe, die sich um Uranus bildete, bestand deshalb zum größten Teil aus Wasserdampf und einem Gasgemisch aus Wasserstoff und Helium. Außerdem waren noch Methan sowie Ammoniak enthalten. Aus dieser Dampfscheibe kondensierten zunächst Eiskörner, die langsam anwuchsen und sich miteinander vermischten, wobei sich diese Scheibe gleichzeitige abkühlte.

Während sich beim Erdmond ungefähr die Hälfte der flüssigen und festen Bestandteile der Scheibe schnell zum Mond zusammensetzte, entwickelte sich das Trabantensystem um Uranus anders. Zunächst dehnte sich die Scheibe zügig aus und kühlte ab. Die Kondensation des Wasserdampfs zu Eis setzte zu einem Zeitpunkt ein, als sich die Scheibe schon mehr oder weniger in einem stationären Zustand befand. Dabei kondensierte das Wasser vornehmlich in den äußersten Bereichen zu Eis. Zugleich war die Bildung schwerer Trabanten auf niedrigen Orbits unterdrückt. Auf diese Weise lässt sich einerseits erklären, warum die Haupttrabanten auf höheren Umlaufbahnen liegen. Außerdem erklärt das Modell gut das beobachtete Verhältnis von Gestein zu Eis, da Gesteine Schmelzpunkte von rund 2000 Kelvin aufweisen und dadurch sehr viel schneller zum festen Zustand übergehen.

Dieses Modell könnte sich auch auf Exoplaneten anwenden lassen. Die Forscher halten es für möglich, dass es sich vielleicht nicht nur auf Eisriesen, sondern auch auf Eismonde ausweiten lässt, die Super-Erden umkreisen.

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