62 Angriffe auf Gedenkorte für Naziopfer

Brandenburgs Linksfraktionschefin Dannenberg fordert, mit oberster Priorität die Gedenkstätten zu schützen

Nach mehr als sieben Wochen Schließung wegen der Corona-Pandemie sind die KZ-Gedenkstätten Ravensbrück und Sachsenhausen seit Dienstag wieder geöffnet. Besucher dürfen sich allerdings zunächst nur auf dem Freigelände bewegen und sollen dabei Abstand zueinander halten. Die Museen und Ausstellungen auf dem Gelände bleiben vorerst noch geschlossen.

Ein großer Teil der Besucher seien normalerweise Schulklassen und Gäste aus dem Ausland, die im Moment nicht kommen können, erinnert Axel Drecoll, Direktor der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten. »Daher verstehen wir die Wiedereröffnung vor allem als Einladung an Menschen in der Region, die Gedenkstätten 75 Jahre nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft nochmals oder auch erstmals aufzusuchen.«

Ebenfalls seit Dienstag wieder besichtigt werden kann die Freiluftausstellung des Todesmarschmuseums im Belower Wald. Die Wiedereröffnung der übrigen Gedenkstätten der Stiftung werde vorbereitet, heißt es. So soll die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg/Havel ab dem 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, wieder zugänglich sein. Es dürfen sich dann aber dort höchstens acht Personen gleichzeitig im Ausstellungsraum aufhalten, und sie müssen dabei einen Mundschutz tragen.

Im brandenburgischen Landtag in Potsdam wird es bereits am 7. Mai um 10 Uhr eine Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Befreiung geben. Zuschauer sind auf den Besuchertribünen nicht zugelassen. Die Veranstaltung wird aber live im Internet übertragen. Im Anschluss an die 30-minütige Gedenkfeier gibt es eine Sondersitzung des Parlaments. Einer der Tagesordnungspunkte: Eine große Anfrage der Linksfraktion zur Bildungs- und Erinnerungsarbeit in Brandenburg 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Antworten von Kulturministerin Manja Schüle (SPD) liegen bereits schriftlich vor - auf 56 Seiten, den umfänglichen Anhang nicht mitgerechnet. »Die beispielslosen Verbrechen des Nationalsozialismus, insbesondere die Ausrottungsfeldzüge gegen die Völker Ost- und Südeuropas sowie der Holocaust, dürfen nicht verharmlost werden«, hat die Linksfraktion unterstrichen. »Sie sind im kollektiven Bewusstsein wachzuhalten.«

Wie bitter nötig das ist, zeigt sich beim Lesen der Antworten der Kulturministerin. Brandenburg ist im Vergleich der Bundesländer besonders reich an Erinnerungsorten für verfolgte und ermordete Kommunisten, Sozialdemokraten, Zwangsarbeiter, Homosexuelle und andere Opfer sowie für die beim Kampf gegen Wehrmacht und Waffen-SS gefallenen sowjetischen und polnischen Soldaten. Doch auf diese Erinnerungsorte hat es nach Kenntnis des Kulturministeriums in den vergangenen sechs Jahren mindestens 62 ganz überwiegend rechte Angriffe gegeben. In einigen Fällen ließen sich die Motive der unbekannten Täter für Beschädigungen nicht eindeutig klären. Es traf Ehrenfriedhöfe, Denkmäler, Gedenksteine und -tafeln, unter anderem in Eisenhüttenstadt, Spremberg, Falkensee, Bernau und Mühlberg. Nur in acht Fällen konnten die Täter ermittelt werden.

Wenn in den KZ-Gedenkstätten Schulklassen unterwegs sind, so stören pubertierende Jugendliche die Führung zuweilen, weil sie kein Interesse haben, aber auch aus eindeutig rechter Gesinnung heraus, wie den Antworten der Kulturministerin zu entnehmen ist. Ebenso machen dazukommende Erwachsene ungefragt unzumutbare Bemerkungen, zweifeln etwa historische Fakten an und relativieren die Nazi-Verbrechen.

Die Gedenkorte zu schützen »muss oberste Priorität haben«, betont Linksfraktionschefin Kathrin Dannenberg. Sie wünscht sich höhere Zuschüsse des Landes für die Stiftung brandenburgische Gedenkstätten und eine bessere Bezahlung der Mitarbeiter. Die Linke möchte, so sagt Dannenberg, auch noch einmal darüber diskutieren, den 8. Mai als Tag der Befreiung doch noch zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Diesen Vorschlag der Linksfraktion zum 75. Jahrestag hatte die rot-schwarz-grüne Koalition im Januar abgelehnt. Es sei in der Kürze der Zeit nicht mehr zu schaffen, lautete die Begründung dafür. In Berlin ist der 8. Mai dieses Jahr ein gesetzlicher Feiertag.

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