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  • Verbot von Konversionstherapien

Homo braucht keine Heilung

Der Bundestag stimmt über ein Gesetz zum Verbot sogenannter Konversionstherapien ab

  • Birthe Berghöfer
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Donnerstag stimmt der Bundestag über einen Gesetzentwurf zum Verbot von Konversionstherapien ab. Damit würden pseudo-therapeutische Behandlungen, die die sexuelle Orientierung einer Person ändern sollen, verboten werden. Diese werden, besonders in religiös-fundamentalistischen Kontexten, auch in Deutschland durchgeführt.

»Es ist krank und bald auch endlich illegal, Menschen vorzugaukeln, dass man ihre Sexualität wegtherapieren kann«, findet Lucas Hawrylak. Der 28-Jährige hatte im Juli 2018 die Petition »HomoBrauchtKeineHeilung« auf Change.org gestartet und schnell Zehntausende Unterschriften zusammen. Im April 2019 wurde er zudem Teil der Fachkommission des Bundesgesundheitsministerium, die die Anforderungen für ein Verbot von Konversionstherapien festgelegt hat.

Das Gesetz würde Konversionstherapien an Minderjährigen verbieten sowie an Volljährigen, deren Einwilligung auf einem Willensmangel beruht. Zudem verbietet es das Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Behandlungen. Verstöße können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr und einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro bestraft werden. Zusätzlich sieht das Gesetz ein kostenloses und anonymes Beratungsangebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vor.

Der Prozess sich zu outen, »zu sagen, 'Mama oder Papa, ich bin schwul' hat drei Jahre gedauert«, erzählt Hawrylak in seiner Petition. Er selbst habe Unterstützung erfahren, doch eine Vielzahl der Outings verlaufe nicht so harmonisch. Besonders schlimm: »wenn Eltern ihre Kinder sogenannten «Homo-Heilern» anvertrauen, die vorgeben Kinder und Jugendliche von der Homosexualität heilen zu können, sie «normal» zu machen«. Die Methoden dazu sind vielfältig und verstörend: Sie reichen von »Nackttänzen zu Trommelschlägen und eiskalten Duschen bis hin zu Gesprächstherapien in denen den «Betroffenen» verdeutlicht werden soll, dass ihre sexuelle Orientierung falsch sei.« Abzielen tun solche Therapien darauf, lesbische, schwule, bisexuelle oder transgeschlechtliche Identitäten in die vermeintlich »normale« Heterosexualität zu ändern. Wie das Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in einem Gutachten im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) schreibt, gehören zu den negativen Folgen solcher Therapien internalisierte Homofeindlichkeit und Selbsthass, Depression und psychische Schäden, die bis zum Suizid führen können.

Ein Verbot solcher Methoden gibt es in Europa bisher nur in Malta. Das Europäische Parlament befürwortete im März 2018 gesetzliche Regelungen bezüglich dieser »Heilungen« homosexueller Menschen. In Deutschland fordern die Grünen bereits seit 2013 ein Verbot und hatten in der damaligen Legislaturperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Auch der Weltärztebund hatte 2013 Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung und als mit der Ethik ärztlichen Handelns unvereinbar verurteilt. Seit Februar 2019 fordert auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ein Verbot. Dem nun zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf wurde bereits im Dezember vergangenen Jahres im Bundeskabinett zugestimmt.

In der Begründung des Bundesministeriums für Gesundheit heißt es: »In Deutschland gibt es Organisationen, die immer noch die Überzeugung vertreten und verbreiten, nicht heterosexuelle Orientierungen (z.B. Homo- oder Bisexualität) oder abweichende Geschlechtsidentitäten (z.B. Transgeschlechtlichkeit) seien eine «Krankheit» und behandlungsbedürftig.« Konversionstherapien seien gefährlich, weil sie schwerwiegende gesundheitliche Schäden nach sich ziehen könnten. Ein Verbot sei aber auch »ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern: es ist ok, so wie du bist«, sagte Gesundheitsminister Spahn.

Das Gesetz wird vielfach begrüßt, jedoch gibt es auch kritische Stimmen: Gabriela Lünsmann vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands kritisiert das aktuelle Schutzalter. »Dieser Prozess der Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfindung ist mit dem 18. Lebensjahr regelmäßig nicht abgeschlossen.« Er betreffe ebenso Heranwachsende und junge Erwachsene bis zum Alter von 26. Jahren, heißt es in einer Stellungnahme Lünsmanns. Kritisiert wird auch jener Teil des Gesetzes, der besagt, dass Eltern sich nur strafbar machen, wenn sie ihre Fürsorgepflicht im Rahmen von Konversionsmaßnahmen verletzen. »Die Regelung verkennt, dass es häufig gerade die Eltern sind, die ihre Kinder, in die nach diesem Gesetz nun endlich untersagten Interventionen drängen«, so Lünsmann.

Auch die Grünen-Queerpolitikerin Ulle Schauws findet diese Ausnahmeregelung »fatal«. »Junge Menschen sind nicht nur auf ihre Erziehungsberechtigten angewiesen; auch deren Werte und Weltanschauungen haben großen Einfluss auf das Wohl und Selbstbild ihrer Schutzbefohlenen.« Es bestehe die Gefahr, dass Konversionstherapien weiterhin durchgeführt werden würden, nur eben im privaten Bereich. Sie »entziehen sich so der gesellschaftlichen und der öffentlichen Kontrolle«, kritisierte Schauws.

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