Saudis auf Sparflamme

Königreich verdreifacht Mehrwertsteuer

  • Philip Malzahn
  • Lesedauer: 3 Min.

Von einer Staatspleite dürfte das erdölreiche Saudi-Arabien noch weit entfernt sein. Dennoch: Im ersten Quartal dieses Jahres verzeichnete das Königreich ein Haushaltsdefizit von neun Milliarden US-Dollar, verursacht durch die niedrigen Ölpreise und eine durch das Coronavirus reduzierte Nachfrage des Rohstoffs.

Deshalb wird Saudi-Arabien nun seinen Mehrwertsteuersatz verdreifachen und eine Zulage zu den Lebenshaltungskosten für Staatsangestellte aussetzen, sagte der Finanzminister des Königreichs am Montag. »Hilfszahlungen für Staatsbedienstete werden ab dem 1. Juni ausgesetzt und die Mehrwertsteuer von fünf Prozent ab dem ersten Juli auf 15 Prozent erhöht«, so Finanzminister Mohammed al-Jadaan in der Erklärung der staatlichen Nachrichtenagentur SPA. »Diese Maßnahmen sind schmerzhaft, aber notwendig, um mittel- bis langfristig finanzielle und wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.« Im Jahr 2018 hatte König Salman eine monatliche Zahlung von circa 270 US-Dollar an jeden Staatsangestellten angewiesen, um die steigenden Lebenshaltungskosten zu kompensieren, nachdem die Regierung die inländischen Gaspreise angehoben und die Mehrwertsteuer eingeführt hatte. Offiziell sind rund 1,5 Millionen der 33 Millionen Saudis im Regierungssektor beschäftigt.

Der weltweit größte Ölexporteur leidet unter sinkenden Preisen, während Maßnahmen zur Bekämpfung des neuen Coronavirus voraussichtlich die Umsetzung der von Kronprinz Mohammed bin Salman eingeleiteten Wirtschaftsreformen im Rahmen des sogenannten Vision-2030-Projekts bremsen werden. Finanzminister al-Jadaan fügte hinzu, die fehlenden Einnahmen seien durch das Virus und seine Folgen ausgelöst, während die Ausgaben aufgrund ungeplanter Belastungen des Gesundheitssektors gestiegen seien. »All diese Herausforderungen haben die Staatseinnahmen gesenkt und erfordern mehr Ausgabenkürzungen und Maßnahmen zur Unterstützung der Stabilität der Nichtöleinnahmen.«

Die Öleinnahmen sanken in den ersten drei Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent auf 34 Milliarden US-Dollar, was einem Rückgang der Gesamteinnahmen des Landes um 22 Prozent gleichkommt. Zudem hat die Regierung einige Betriebs- und Investitionsausgaben für Regierungsbehörden ausgesetzt und die Mittelzuweisungen für eine Reihe von Initiativen und Megaprojekten von Vision 2030 mit einem Gesamtwert von etwa 27 Milliarden US-Dollar gekürzt.

Im autoritär regierten Land, in dem die politische Legitimität teilweise auf der Verteilung der Öleinnahmen beruht, gilt die Fähigkeit der Bürger, sich an Reformen anzupassen, die darauf abzielen, die Ölabhängigkeit zu verringern und die Eigenständigkeit zu verbessern, als entscheidend für die zukünftige Stabilität des Landes. Am Montag vergangener Woche hatte die staatliche Ölfirma Aramco angekündigt, die inländischen Benzinpreise für Mai mit sofortiger Wirkung zu senken.

Auf Twitter, einer vor allem von Unterstützern der Regierung favorisierten Social-Media-Plattform, zeigen sich viele Saudis bereit, Sparmaßnahmen zu akzeptieren. Eine Welle von Solidarität mit dem Königshaus rollte am Montag durch das Internet. Da es jedoch gefährlich ist, die saudische Führung öffentlich zu kritisieren, lässt sich schwer messen, wie viele Menschen unzufrieden mit den neuesten Sparmaßnahmen sind.

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