Parlament tagt ohne Premier

Pakistans Opposition kritisiert Corona-Politik

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Nicht nur Premierminister Imran Khan war dem ersten Zusammentreten der Nationalversammlung seit dem Ausbruch der Coronakrise ferngeblieben. Ebenso blieb der Platz von Shahbaz Sharif leer - der Bruder des früheren Regierungschefs Nawaz Sharif und aktuelle Parteichef der Pakistanischen Muslimliga-Nawaz (PML-N), der damit auch Oppositionsführer ist. Darüber hinaus musste sich Parlamentschef Asad Qaiser vertreten lassen - als bisher bisher höchster Vertreter im pakistanischen Staatsapparat wurde er vergangene Woche positiv auf das Coronavirus getestet wurde.

Für die Regierungsseite verteidigte Außenminister Shah Mahmood Qureshi die bisherige Corona-Politik. Qureshi räumte zwar ein, dass 200 000 bis 300 000 Tests bei einer Gesamtbevölkerung des südasiatischen Landes von 220 Millionen völlig unzureichend seien. Man operiere aber insgesamt bereits am äußersten Rande der Möglichkeiten. Khawaja Asif, der für den abwesenden Oppositionschef einsprang, griff das Eingeständnis des Außenministers auf, dass die Testkapazität viel zu niedrig sei. Zu wenig, zu spät, zu unkoordiniert, das war das vernichtende Urteil im Grunde aller Oppositionsvertreter für das Agieren der Zentralregierung. Während einerseits zu lange gar keine Strategie verfolgt worden sei, beispielsweise mit einem Lockdown, der schließlich doch eingeführt, aber nicht konsequent durchgesetzt wurde, erfolge die jüngst beschlossenen Lockerungen vorschnell.

Auch von unabhängigen Stellen hört man, dass gerade die mangelhafte Abstimmung von Maßnahmen zwischen den beiden Ebenen des Staates, der Zentralregierung und den Regionen, wesentlich zur Ausweitung der Krise mit aktuell 32 000 Infizierten und knapp 700 Toten beigetragen hat. Maleeha Lodhi, eine frühere Botschafterin Pakistans in den USA, Großbritannien und bei den Vereinten Nationen, konstatierte in einem Gastbeitrag in der größten Tageszeitung Dawn, die Coronakrise offenbare deutlich das schon längere Versagen des Staates im Gesundheitssektor, beim Zusammenspiel der beiden Ebenen des Staates, bei der Zusammenarbeit in der Regierung und beim Einknicken der Politik vor dem Druck von einflussreichen islamischen Klerikern. Die Löcher im Sozialwesen, speziell im medizinischen Sektor, seien zwar teilweise durch die Privatwirtschaft gestopft worden - den Zugang dazu könnten sich jetzt aber nur wenige leisten.

Am Montag öffneten landesweit erstmals seit der letzten Märzwoche wieder Märkte, Läden, Fabriken und Büros. Angesichts der völlig überfüllten Märkte mit Menschen mehrheitlich ohne Schutzmasken warnen Ärzte vor einer Explosion der zuletzt ohnehin verstärkt steigenden Infektionszahlen. Zudem schlittert das Land seit Jahren finanziell scharf an der Grenze zur Staatspleite - sie konnte immer wieder nur durch neue Notkredite bei China, Saudi-Arabien, den Vereinigten Emiraten und dem Internationalen Währungsfonds abgewendet werden. Verschärft durch Corona, steht Premier Khan endgültig mit dem Rücken an der Wand.

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