Abgesang auf den Airport Tegel

Opposition will erneut im Streit um die Finanzlage der Flughafengesellschaft punkten

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Lage an den Berliner Flughäfen und vor allem die Finanzsituation der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) waren am Donnerstag Gegenstand der Aktuellen Stunde im Abgeordnetenhaus. Am Ende des hitzig geführten Schlagabtauschs zwischen den Oppositions- und Koalitionsfraktionen lässt sich festhalten: Der neue Hauptstadtflughafen BER wird am 31. Oktober 2020 eröffnet, die Tage des Airports Tegel sind definitiv gezählt und die Flughafengesellschaft ist auch in der Krise handlungsfähig. Zudem sprach Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) der FBB-Geschäftsführung unter Leitung von Engelbert Lütke Daldrup namens des rot-rot-grünen Senats des Vertrauen aus.

Wenn die Gesellschafter der coronabedingt in Finanznot geratenen Gesellschaft - die beiden namensgebenden Länder und der Bund - mit Steuergeld helfen, dann haben da die Parlamente mitzureden. Im konkreten Fall geht es zunächst um jene 300 Millionen Euro, mit denen die Einnahmeausfälle als Folge der Pandemie 2020 ausgeglichen werden sollen. Doch aus Sicht der oppositionellen Fraktionen von CDU und vor allem FDP, von der AfD ganz zu schweigen, zeigt sich bereits darin eine grundlegende finanzielle Schieflage, die durch die Flughafengesellschaft seit Jahren systematisch vertuscht werde. Gedeckt werde all das durch die SPD und ihre jeweiligen Koalitionspartner, womit offenbar ausschließlich Grüne und Linke gemeint sind.

Die Aktuelle Stunde war von der FDP beantragt worden und stand unter dem Motto »Finanzieller Sinkflug der FBB - fliegt in Berlin bald nur noch der Pleitegeier?« Es trägt die Handschrift von Fraktionschef Sebastian Czaja, eines erklärten BER-Gegners und Intimfeindes von Flughafenchef Lütke Daldrup, mit dem er bis vor kurzem noch juristische Händel austrug. Vor allem aber ist Czaja glühender Verfechter einer Offenhaltung von Tegel. Und als solcher hat er sich mit der Themenwahl am Ende einen Bärendienst erwiesen. Die FBB sei der »größte Sanierungsfall der Stadt« und als Unternehmen gescheitert, so Czaja. Mit dem BER werde sie zum dauerhaften Zuschussbetrieb, allein bis 2023 fehlten ihr weitere 1,8 Milliarden Euro, für die die Gesellschafter und folglich die Steuerzahler aufkommen müssten. Er forderte Aufklärung über die finanzielle Lage und bis dahin den Stopp der Erweiterungen im Zuge des Masterplans 2040. Doch am Ende ließ er dann seine persönliche Agenda durchblicken. »Bis darüber Klarheit besteht, rate ich dringend an, die derzeitige Geschäftsführung der FBB zu beurlauben«, sagte Czaja, um schließlich erneut zu verlangen, Tegel dauerhaft weiter zu beteiben.

Da half es der Opposition auch nicht weiter, dass Christian Gräff für die CDU auf mehr Sachlichkeit setzte und verlangte, dass sich die Flughafengesellschaft auf jeden Fall »finanziell ehrlich« machen müsse und den Masterplan angesichts der tatsächlichen künftigen Entwicklung des Luftverkehrs überarbeiten müsse. Als Lösung schlug Gräff eine Teilprivatisierung der FBB als Mittel der Wahl zur Befriedigung des hohen Kapitalbedarfs und zur Einbeziehung von externem Sachverstand vor.

Auf die Füße fiel den Vertretern der Opposition - bei aller gebotenen Skepsis gegenüber einem Projekt, das neun Jahre verspätet fertig und bis dahin mehr als sechs Milliarden Euro gekostet haben wird - ihre argumentative Basis. Denn abermals wiederholt wurde eine Ende April vorgestellte Studie von drei Wirtschaftsexperten, die eine Pleite der FBB erwartet. Nicht nur Flughafenchef Lütke Daldrup hat die Kernthesen der Studie als falsch zurückgewiesen. Den Machern sind offenbar auch peinliche Rechenfehler nachzuweisen.

Darauf machte der Linke-Abgeordnete Carsten Schatz aufmerksam, der betonte, dass allein schon deren Auftraggeber weder bekannt gegeben noch - wie nach wissenschaftlichen Maßstäben eigentlich üblich - transparent gemacht worden seien. Über die Finanzsituation werde die FBB in ihrem Jahresbericht 2019 Auskunft geben, den sie an diesem Freitag dem Aufsichtrat vorstellt.

Finanzsenator Kollatz erinnerte daran, dass der FBB aktuell infolge des coronabedingt kompletten Einnahmeausfalls geholfen werde. Es sei auch in der Vergangenheit viel falsch gemacht worden. Fakt bleibe aber, dass der BER nun im Oktober öffne. Und an Sebastian Czaja gewandt sagte er: »Es ist schlicht sachfremd, aus Frust darüber, dass Herr Lütke Daldrup mit seinem Team geliefert hat, seine Beurlaubung zu fordern.« Und es sei sogar absurd, in der jetzigen Situation Tegel offenhalten zu wollen. Dieser wäre nun sogar eine zusätzliche finanzielle Belastung.

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