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Argentinien geht in die Verlängerung

Verhandlungen über Umschuldung werden nach Zahlungsausfall bis Anfang Juni fortgesetzt

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 3 Min.

Schon vor dem Ablauf der Zahlungsfrist am Freitag hatte die argentinische Regierung verkündet, dass die Verhandlungen weitergeführt werden. Das neue Zeitfenster soll jetzt »bis zum 2. Juni 2020 laufen, es sei denn, es wird um einen weiteren Zeitraum verlängert oder im Voraus beendet«, heißt es in einer Erklärung.

»Wir begrüßen die Bereitschaft Argentiniens, mit den Gläubigern zusammenzuarbeiten, aber Taten sagen mehr als Worte«, reagierten Gläubiger wie die Investmentfonds Blackrock, Ashmore und Fidelity. Aber, Argentinien hätte sich »nicht wirklich substanziell mit den Gläubigern auseinandergesetzt«. Eine nette Umschreibung dafür, dass Wirtschaftsminister Martín Guzmán keine Zugeständnisse machte. Den Fonds ist vor allem die dreijährige Zahlungspause ein Ärgernis. Jetzt hat Guzmán Nachbesserungen angekündigt.

Der am Freitag nicht geleistete Schuldendienst gehört zu drei Staatsanleihen, die wiederum Teil eines Schuldenpaketes mit einem Volumen von 66,5 Milliarden Dollar sind. Seit Wochen verhandelt die Regierung mit den Gläubigern des Pakets über eine Neustrukturierung. Es geht um den Umtausch 21 alter Anleihen in zehn neue Anleihen verbunden mit einer Schuldenreduzierung. Mitte April hatte Wirtschaftsminister Guzmán ein Angebot vorgelegt, das einen Schuldenschnitt um 41,5 Milliarden Dollar sowie eine dreijährige Tilgungspause vorsieht.

Der argentinische Staat sitzt auf Verbindlichkeiten von 312 Milliarden Dollar, alle Auslands- und Inlandsschulden in Dollar um- und zusammengerechnet. Die Summe entspricht 92 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit 247 Milliarden Dollar macht der Anteil in ausländischen Währungen 80 Prozent aus. Von diesen 247 Milliarden entfallen 119,6 Milliarden auf private Gläubiger sowie 72,7 Milliarden auf internationale Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds IWF (44 Milliarden Dollar). Der Rest ist staatsintern.

Gemessen an der gesamten Summe machen die 66,5 Milliarden kaum mehr 20 Prozent aus. Kommt es zu einer Einigung inklusive Schuldenschnitt, ist Argentinien auch weiter hoch verschuldet. Auch deshalb erklärt die Regierung in Buenos Aires stets, der Schuldendienst sei in seiner jetzigen Dimension nicht zu leisten. Es gehe ihr um einen tragfähigen Schuldendienst, ohne die Wirtschaft abzuwürgen und ohne sozialen Kahlschlag.

Die Chancen auf eine Einigung stehen gut. Die Gläubiger sind angesichts des seit Jahren weltweit extrem niedrigen Zinsniveaus zu Zugeständnissen bereit. Besser weniger, statt nichts. So gehört die jetzige Zahlungsunfähigkeit auch zum Verhandlungspoker. Aber während sich die Spielregeln kaum geändert haben, ist die Kulisse heute eine komplett andere. Niemand kann vorhersagen, wie die Welt und die Wirtschaft am Ende der Pandemie dastehen werden. »Sobald sich die Volkswirtschaften erholen, werden Fortschritte auf dem Weg zur Tragfähigkeit der Schulden erforderlich sein«, forderte der IWF im April in seinem Fiscal Monitor für die Zeit danach.

Im Fall Argentiniens ist es jedoch fraglich, ob selbst der von der Regierung seit Wochen angestrebte tragfähige Schuldendienst überhaupt noch geleistet werden kann. Am Samstag verlängerte die Regierung die am 20. März verhängte Quarantäne und die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen vorerst weiter bis zum 7. Juni. Argentiniens einziges Ass beschrieb der IWF in seinem Monitor: »Die Covid-19-Pandemie ist vor dem Hintergrund der langsam wachsenden globalen Aussichten mit niedriger nominaler Inflation und niedrigen Zinssätzen aufgetreten.« Daran wird sich für die Gläubiger auch nach der Pandemie nichts ändern. Durch die enormen finanziellen Hilfsprogramme vieler Regierungen wird Geld nicht zu einem knappen Gut werden und bleibt somit billig.

Sicher ist: Im Laufe der Woche werden die internationalen Ratingagenturen das Land auf »zahlungsunfähig« herabstufen und ihm so die neunte Staatspleite attestieren.

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