Mr. Rasputin

Personalie

  • Ian King
  • Lesedauer: 2 Min.

Dominic Cummings ist zurzeit der zweitmächtigste Mann Britanniens. Premierminister Johnsons Sonderberater und inoffizieller Stabschef hat als Stratege und Slogan-Lieferant die Brexit-Kampagne sowie Johnsons Parlamentswahlsieg vom Dezember 2019 gemanagt. Ideengeber, Drahtzieher - jetzt offener Sünder gegen die »Wenn coronakrank, bleib zu Hause«-Politik der eigenen Regierung.

Am 23. März haben die Regierenden alle nicht notwendigen Reisen im Lande verboten. Vier Tage später erkrankte Cummings’ Frau an Covid-19, anschließend er. Aber statt zu Hause zu bleiben und sich für 14 Tage zu isolieren, um andere zu schützen, setzte sich das Paar mit dem vierjährigen Sohn ins Auto und fuhr 400 Kilometer zum nordostenglischen Durham - angeblich um den Sohn pflegen zu lassen. Cummings’ 70-jährige Eltern haben dort ihre Residenz.

Statt sich wenigstens in Durham zu isolieren, begab sich die reisefreudige Familie Cummings zum Touristenort Barnard Castle - immerhin weitere 50 Kilometer entfernt, aber dort wachsen schöne Glockenblumen, wie der dort erkannte Dominic einem Passanten erzählte. Nach der Rückkehr in die Hauptstadt fuhr der Johnson-Berater am folgenden Wochenende noch einmal nach Durham. (Inzwischen wurde die Chefmedizinerin Schottlands entlassen, weil sie zwei Fahrten zu ihrer Datsche unternommen hatte.)

Angesichts dieser auch von der örtlichen Polizei bemerkten Missachtung des Fahrverbots verlangen Liberalenchef Sir Ed Davey sowie Ian Blackford, Fraktionsvorsitzender der Schottischen Nationalisten im Londoner Parlament, den sofortigen Rücktritt von Cummings. Labours Nick Thomas-Symonds fordert eine Klarstellung durch den Premier, wohl um Johnson tiefer in die Affäre hineinzuziehen. Noch scharen sich Regierungsvertreter wie Verkehrsminister Grant Shapps schützend um den Stabschef. Aber bereits acht Tory-Hinterbänkler, darunter frühere Brexit-Gesinnungsgenossen wie Steve Baker, verlangen öffentlich Cummings’ Rücktritt. Auch Rasputin musste am Ende dran glauben.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.