Danke, ZDF!

Mandy Tröger sucht nach Kohls Wahlsiegen im Denver-Clan

  • Mandy Tröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Was kommt heraus, wenn sich Wirtschafts- und Statistikexperten am Thema »Medien und Demokratie« versuchen? Nichts Gutes. Besonders wenn es um den Einfluss der Medien auf DDR-Bürger geht. Dann sprudeln aus solchen Versuchen allerlei ahistorische Thesen und viel Schwarz-Weiß-Malerei.

Das zeigt eine neue Studie von Wissenschaftlern der Uni Marburg. Der Ausgangspunkt: Im »Tal der Ahnungslosen« also den DDR-Gebieten ohne ARD-, und ZDF-Empfang, stimmten die Menschen nach 1990 eher »für links- als auch für rechtsextreme Parteien« als anderswo im Osten.

Stören Sie sich jetzt nicht an dieser politischen Gleichsetzung, ist ja auch irgendwie das Gleiche, dieses links und rechts. Auch Fragen nach historischen Zusammenhängen, Sozial- oder Wirtschaftsstrukturen verkomplizieren die Sache nur, wenn man weiß, was den Rest des Ostens gerettet hat: Westfernsehen! Denn im Gegensatz zum »Propagandainstrument« der DDR war das Fernsehen der BRD »relativ frei von politischer Einflussnahme« und bot »einen ungeschützten Blick auf Ost und West«. Interessant! Wollte Konrad Adenauer 1961 nicht staatsgelenktes Fernsehen in Form des ZDF? Und ging es dann nicht so lange hin und her, bis eine gerade noch verfassungskonforme Lösung gefunden war? Klingt das nicht auch ein wenig nach »Instrument«?

Egal. Die Studie zeigt: Dank Westempfang wurden auch DDR-Bürger Demokraten. Das leuchtet ein, denn das Ostfernsehen war ja »demokratie- oder kapitalismusfeindlich«. Dessen Monopol in jenem Tal zeigte sich dann bei Wahlen nach der Wende. Die durften ja nicht reisen, die Ahnungslosen, oder den Westen bei Verwandten sehen. Und Kohls Wahlerfolg im Rest der Republik? Kam der nun durch jahrelangen Tagesschaukonsum oder doch eher durch den Denver-Clan? Sind ja beide völlig unpolitisch. Dazu schweigt die Studie.

Und so funktioniert Kalte-Kriegs-Rhetorik noch heute. Die freien Westmedien treffen die Propagandamaschine Ost. Von Medienkritik keine Spur. Dabei ist hinlänglich belegt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk (also das Westfernsehen) von politischem Einfluss nicht frei war und nicht frei ist. Auch die Kausalbeziehung zwischen Wahlverhalten und Fernsehkonsum wäre unter Kollegen umstritten. Denn ohne Kontext keine Interpretation.

Aber das passiert, wenn Zahlen allein die Welt erklären. Wie wäre es mit einer alternativen Lesart? Also: Ostdeutsche mit Westempfang sahen jeden Tag, dass politische Wahrheit immer eine Sache des Betrachters ist. Auch »freie« Westmedien waren nicht frei von Ideologie. Ostdeutsche Fernsehzuschauer waren damit prädestiniert zur Medienkritik. Und die täte uns auch heute noch gut.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal