Schenkung zur DDR-Zeit ohne Grundbucheintragung nicht wirksam

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Eine Grundstücksschenkung, die in der DDR vor der Wende notariell beurkundet, aber erst danach im Grundbuch eingetragen wurde, hat nach § 282 Abs. 3 Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB) nicht zu einem rechtsverbindlichen Vertrag geführt. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 232 § 1 Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) unterliegt eine solche Schenkung daher dem BGB mitsamt dem Rückforderungsrecht des verarmten Schenkers nach § 528 BGB. Dies bestimmte der Bundesgerichtshof in einem Urteil, das Rechtsanwalt JÜRGEN NAUMANN, Berlin-Mitte, dem Ratgeber übermittelte.
Im März 1990 schlossen die Beklagte und ihre Mutter in Ostberlin einen als Überlassungsvertrag bezeichneten notariellen Vertrag über das dort gelegene, mit einem Einfamilienhaus bebaute Grundstück der Mutter. Das Eigentum und die Hypotheken sollten auf die Beklagte übergehen, die Mutter erhielt lebenslanges mietfreies Wohnrecht. Das zuständige Liegenschaftsamt leitete die notwendigen Unterlagen erst im November 1990, also nach dem 3. Oktober 1990, dem so genannten Beitritt, an den Magistrat weiter. Die Eintragung ins Grundbuch erfolgte am 19. Dezember 1991. Die Mutter stellte im Mai 1991 einen Antrag auf Sozialhilfe, da sie ins Heim musste. Der Kläger leistete rund 97 000 Mark Sozialhilfe. Er zeigte der beklagten Tochter an, dass er den Rückforderungsanspruch der Mutter wegen Verarmung (§ 528 BGB) auf sich überleite. Das Berufungsgricht gab ihm Recht. Der BGH ließ zwar die Revision dieses Urteils zu. Diese hatte jedoch keinen Erfolg. Der BGH stimmte dem Berufungsgericht in folgender Einschätzung zu: Der Überlassungsvertrag habe eine gemischte Schenkung dargestellt. Für die Frage, ob das Schenkungsrecht des ZGB oder des BGB angewandt werden müsse, sei entscheidend, wann die Schenkung durch die Grundbucheintragung vollzogen worden sei. Nach dem ZGB werde ein Schenkungsvertrag erst mit dem Vollzug der Schenkung wirksam. Da die Beklagte erst nach dem 3. Oktober 1990 ins Grundbuch eingetragen worden sei, müsse nach Art. 232 § 1 EGBGB das BGB angewandt werden. Die Beklagte könne sich auch nicht wegen der überlangen Bearbeitungsdauer des Schenkungsvollzugs auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Nach der Übergangsregelung des EGBGB bleibt, so das Berufungsgericht, nur für vor dem 3. Oktober 1990 entstandene Schuldverhältnisse das Recht der DDR maßgebend. Doch bis dahin sei kein Schuldverhältnis zwischen der Beklagten und ihrer Mutter entstanden, also gelte das BGB. Nach diesem ist die Schenkung von vornherein mit dem Rückforderungsrecht des Schenkers belastet. Das Berufungsgericht und der BGH berufen sich im Urteil auch auf den Text des ZGB. Der betone den Charakter der Schenkung als tatsächliche Vermögensverschiebung und stelle die Unwirksamkeit eines Schenkungsversprechens klar. Rechte und Pflichten entstünden mit dem Vollzug der Schenkung, sprich der Eintragung ins Grundbuch. Auch der Einwand der Revision sei nicht begründet, es führe zu unbilligen Zufallsergebnissen, wenn das anzuwendende Recht von der behördlichen Bearbeitungsdauer abhänge. Rechtlich entscheidend sei nicht der Wille der Parteien bei Vertragsabschluss, sondern ihr Wille zum Zeitpunkt des Vollzugs. Er müsse der Gesetzeslage unterworfen werden, die zum entscheidenden Zeitpunkt galt. Die Gesetzesänderungen (EGBGB) hätten keine Gesetzeslücken erzeugt. Die Gerichte ließen es auch dahingestellt, ob hinsichtlich der beim Liegenschaftsamt eingetretenen Verzögerung ein für den Schaden der Beklagten kausales »rechtswidriges Staatshandeln« vorlag, woraus sich ein Verstoß gegen die Amtspflicht einer jeden Behörde ergebe. Der BGB brauchte nicht zu entscheiden, ob in der DDR eine Amtspflicht bestand. Der von der Beklagten geltend gemachte Schaden, der darin besteht, dass sie dem Rückforderungsanspruch des verarmten Schenkers nach § 528 BGB ausgesetzt ist, fällt also nicht in den Schutzbereich einer Staatshaftung. Die beklagte Tochter muss zahlen. Sie ist, so muss man es sehen, noch nach fast 17 Jahren Opfer der Vereinigungswirren. Urteil des BGH vom 15. Mai 2007, Az. X ZR 109/05

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