Bumm! Rumms!

Texte und Bomben

  • Jasper Nicolaisen
  • Lesedauer: 2 Min.

Stuttgart. Trümmer überall. Schmutzstarrende Angehörige scharren im Schmutz nach ihren Angehörigen. Tränen malen trügerisch helle Spuren in das dreckverkrustete Gesicht von Boris Palmer, als er vor die Kameras tritt bzw. tänzelt. »Ein bisschen Blackfacing schadet nie!«, weiß der meinungsstarke Nachwuchspolitiker, der durch seine Jahre an der Macht gereift ist wie eine Avocado. »Aber ich habe auch echte Gefühle!« Wer die vernichtende Bombenlast über Stuttgart abgeworfen hat, daran gibt es für ihn keinen Zweifel: Es waren freie Mitarbeitende der »sogenannten Medien, die mit Hass und Hetze zersetzen, fetzen und als Metzen der ...«

Er, der sonst nie den Faden verliert, verliert die Contenance. »Was für die AfD und andere wertkonservative Weltanschauungsgemeinschaften gilt, darf selbstverständlich nicht für linksradikale Ratten gelten. Und ›Ratten‹ sage ich nur, weil ich Ratten liebe«, so Palmer. »Großzügige Finanzierung durch den Verfassungsschutz, selektive Blindheit bei der Strafverfolgung und eilfertige Diskussion all ihrer gekränkten Gefühle!«

Das versteht auch die Chefredakteurin einer alternativen Tageszeitung sofort. »Palmer hat natürlich recht«, nickt sie. »Bevor wir das nächste Mal unsere Bombenlast über Stuttgart abwerfen, stellen wir erst mal sicher, dass wir auch ein paar Rechte einladen, mitzubomben. Dialog ist gerade in diesen Zeiten so wichtig.« Den Einwand, ihre Zeitung habe in erster Linie nicht Bomben geworfen, sondern Texte veröffentlicht, lässt sie nicht gelten. »Wir kennen unsere Verantwortung«, betont sie. »Wenn wir uns jetzt hinter spitzfindigen Unterscheidungen wie ›Text‹ und ›Bombe‹ verschanzen, stärken wir nur den politischen Gegner!«

Noch in der Wochenendausgabe sollen gleich mehrere Bomben mit einer wohlabgewogenen Mischung von Meinungen, Argumenten, aber auch »Nägeln und Schrauben« erscheinen, so heißt es aus Redaktionskreisen.

Vertreter*innen national gesinnter Kreise zeigten sich vorsichtig zufrieden, waren aber unter dem fortwährenden Detonieren ihrer nachdenklichen Texte nicht vollständig zu verstehen. »Mir eigentlich egal, was die Gender-Irren von der Lügenpresse schreiben«, so einer der friedfertigen Schreiberlinge. »Hauptsache, wir [bumm] weiterhin, wer in Deutschland [rumms] zu sagen hat!«

Palmer griff noch am Abend dieses Statement auf und forderte, wieder mehr mit Penissen zu arbeiten. Die anschließenden Twitter-Bombenhagel, ob die Verwendung des Wortes ›Penis‹ bereits Hate Speech darstellt, verwüsten zur Stunde Dresden aufs Neue.

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