Wenig Abstand zum Klischee

Der Umgang mit den Corona-Ausbrüchen wird in den Bezirken unterschiedlich gehandhabt

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Es gäbe weiterhin keinen Grund zur Aufregung: »Die Testungen waren bereits Ende der vergangenen Woche abgeschlossen, die Quarantäne läuft, die betroffenen Bewohner*innen werden mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln versorgt«, berichtet Sara Lühmann, Sprecherin des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg dem »nd« am Mittwoch. Die Situation rund um den Wohnblock in der Nähe des Ostbahnhofs, der am Dienstag in die Schlagzeilen der Hauptstadtmedien geraten war, weil sich dort von 350 Menschen 45 nachweislich mit dem Coronavirus infiziert haben, sei demnach unverändert

Die Kooperation zwischen Gesundheitsamt und Bewohnerschaft des Häuserblocks verlaufe »wunderbar«, sagt Lühmann. »Die Zahlen werden jetzt auch nicht weiter steigen«, so die Sprecherin. Man habe einen Status quo erreicht. Mutmaßungen, dass eine Ausbreitung auf andere Wohnblocks drohe, seien völlig haltlos, sagt die Bezirksvertreterin.

Teststrategie für Kitas fehlt

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte am Mittwoch, dass nach wie vor ein bezirksübergreifendes, mit den Gesundheitsämtern abgestimmtes Verfahren für eine schnelle Klärung von Verdachtsfällen in Kitas fehle. Trotz mehrfacher Ankündigung läge den Kitas bisher kein Testkonzept des Landes Berlin vor.

»Sowohl die Kinder als auch die Beschäftigten brauchen einen schnellen garantierten Zugang zu Tests, um bei Verdacht auf eine Covid-19-Infektion unverzüglich und sicher reagieren und das Infektionsrisiko minimieren zu können«, sagte dazu Sabine Radtke, Kitareferentin des Verbands. »Eine allgemein verbindliche Information dazu fehlt. Die Kitas fühlen sich allein gelassen.« Im Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin sind 118 freie gemeinnützige Kitaträger mit 520 Einrichtungen und rund 45 000 Plätzen organisiert. clk

Auch ein zuständiger Sozialarbeiter des Vereins Gangway hatte am Dienstag gegenüber »nd« erklärt, dass man vor Ort gut ausgestattet und die Versorgung der Menschen in Quarantäne unter anderem durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sichergestellt sei.

Im Gegensatz dazu hatte ein Sozialarbeiter aus Neukölln berichtet, dass es dem hiesigen Bezirksamt anfänglich nicht gelungen war, für ausreichend Lebensmittel für in Quarantäne geschickten Bewohner*innen eines Wohnkomplexes zu sorgen.

Ähnlich wie im Friedrichshainer Fall der zuständige Gesundheitsstadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) hatte auch Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) erklärt, dass in den betroffenen Häusern Menschen unter sehr beengten Verhältnissen leben würden. Dies entspricht in vielen Fällen den Tatsachen. Hikel bemühte aber auch wiederholt Bilder von Familien mit bis zu zehn Kindern - ebenso klischeehaft wie der des Öfteren vorgetragene Vorwurf von »schwierigen Bevölkerungsgruppen«, die sich nicht an das Abstandsgebot halten würden. Allerdings haben damit deutlich mehr Berliner*innen Schwierigkeiten als nur jene, die in den nun besonders unter Beobachtung stehenden Häusern wohnen. Das Gleiche gilt für das Einhalten der Maskenpflicht, die zur Einführung von Bußgeldern führte.

»Die gestern vom Senat beschlossenen Lockerungen beinhalten klare Regeln, die von allen eingehalten werden müssen: 1,5 Meter Abstand, Maskenpflicht und Kontaktbegrenzung«, teilte dazu Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) dem »nd« mit. In beengten Wohnverhältnissen erhöhe sich das Risiko einer Ausbreitung des Virus, sagte die Gesundheitssenatorin. Die Ausbrüche seien aber noch lokal isolierbar und die Bezirke hätten die Lage unter Kontrolle. Noch gehe es um große Fälle, bei denen die Ämter die Kontakte recht gut nachverfolgen könnten. Ab diesem Samstag fallen die Kontaktbeschränkungen in der Hauptstadt weg. Die Menschen sollten nicht leichtsinnig werden, warnte Kalayci.

In Berlin gibt es derzeit 7401 bestätigte Fälle des Coronavirus.

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