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Alt und eingeschlafen
Die Palästinenser sind sauer: Auf Israel und auf die eigene Regierung
Das Coronavirus - auch in den palästinensischen Gebieten treibt es die Menschen um, und verleiht dem Kampf gegen eine drohende Annexion eine besondere Note. Die Zahl der Infektionen ist hoch; wie hoch weiß niemand, weil die Gesundheitsversorgung am Boden liegt, chronisch unterfinanziert, wie auch die Wirtschaft, die nach Jahren der Krise nun endgültig am Boden liegt. Es ist schwer, in diesen Tagen in Ramallah, der De-facto-Hauptstadt der palästinensischen Autonomiebehörde, Offizielle zu finden, um über die Situation zu sprechen. Telefonate, E-Mails werden nicht beantwortet, und auch in der Öffentlichkeit waren Präsident Mahmud Abbas und die Regierungsmitglieder schon seit Anfang Juni nicht mehr zu sehen.
Damals hatte man zu Massenprotesten aufgerufen. Es ging um die Pläne Israels, einen Teil des Westjordanlands zu annektieren, Verwaltung und Unternehmen mussten ihre Mitarbeiter*innen gar von der Arbeit freistellen. Doch am Ende versammelten sich gerade mal um die 200 Menschen im Zentrum von Ramallah; einige Tage später in Jericho waren es dann gut 1000 und damit immer noch viel weniger, als es die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) erwartet hatte.
Aus den Kommentaren in den palästinensischen Medien und aus den Äußerungen in sozialen Netzwerken lässt sich eindeutig erkennen: Es ist nicht die Angst vor einer Infektion, die die Menschen davon abhält, auf die Straße zu gehen. Vor allem die Frustration über die eigene Führung ist zu groß - und Abbas, seine Fatah-Fraktion sowie die PLO unternehmen so gut wie nichts, um auf den Unmut einzugehen. Doch auch die Bemühungen, sich international gegen die Annexionspläne zu stemmen, werden von der Bevölkerung kaum als hinreichend wahrgenommen.
15 Jahre ist es her, seit in den palästinensischen Autonomiegebieten das letzte Mal der Präsident gewählt wurde, vor 14 Jahren fand die letzte Parlamentswahl statt. Damals wurde zwar Abbas Präsident, aber im Parlament errang die mit seiner Fatah verfeindete Hamas die Mehrheit, die dann 2007 im Gazastreifen die Macht ergriff. Dennoch waren viele Palästinenser*innen damals stolz auf die demokratischen Entscheidungsprozesse, und auch darauf, dass man die Dinge anders machte als in anderen arabischen Staaten.
Doch davon ist heute nicht viel übrig geblieben: Die Amtszeiten von Präsident und Parlament sind längst abgelaufen; Abbas blieb trotzdem im Amt, ohne dafür auch nur ein kritisches Wort aus der internationalen Gemeinschaft zu bekommen, obwohl die palästinensischen Autonomiebehörde gemäß der Verfassung seit mittlerweile 2010 keine legitimen Vertreterin mehr haben. Nachdem Abbas’ Amtszeit abgelaufen war, wäre bis zur Neuwahl eigentlich der Sprecher des Parlaments an seine Stelle getreten. Doch auch dessen Amtszeit ist seit 2010 abgelaufen. Ein kommissarisches Im-Amt-Bleiben des Parlaments ist in der Verfassung nicht vorgesehen.
Mittlerweile ist Abbas 85 Jahre alt, schwer krank, und auch die Funktionär*innen von Fatah und PLO sind vielfach längst in den 70ern. Immer wieder wurden in den vergangenen zehn Jahren Wahlen angekündigt und wieder abgesagt: mal, weil die Hamas sich weigerte, auch im Gazastreifen abstimmen zu lassen, mal weil Israel keine Wahllokale in Ost-Jerusalem zulassen wollte. Gleichzeitig wendet Abbas seine gesamte Kraft dafür auf, Lösungen für eine Nachfolge zu behindern.
Außenpolitisch verlor er gleichzeitig sämtliche Glaubwürdigkeit: Dutzendfach kündigte er Vereinbarungen mit Israel auf, die dann aber stillschweigend doch fortgesetzt wurden. Mindestens 32 Mal kündigte er auch an, die palästinensische Autonomiebehörde einfach abwickeln zu wollen. Mit der Hamas schloss seine Regierung mindestens 19 Versöhnungsvereinbarungen, die nie umgesetzt wurden, weil Abbas und seine Fatah stets im Nachhinein darauf bestanden, den Gazastreifen zu kontrollieren. Doch mehr als zehn Jahre, nachdem man dort das letzte Mal die Macht hatte, sind dort völlig andere Strukturen entstanden. Und so scheint in der palästinensischen Öffentlichkeit stets auch eine tiefe Resignation durch: Man glaube schlicht nicht daran, dass sich etwas ändern wird, heißt es immer wieder.
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