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Bei Tönnies wird geprüft
Landrat Adenauer bringt mit Zweifel an Öffnung die Schweinebauern gegen sich auf
Nach dem massenhaften Corona-Ausbruch bei Mitarbeitern des Fleischkonzerns Tönnies hat sich die Situation im Kreis Gütersloh wieder beruhigt. Der Lockdown ist vorbei, für die Bewohner gelten die normalen Corona-Regeln von Nordrhein-Westfalen. Die Tierfabrik in Rheda-Wiedenbrück darf allerdings noch nicht wieder geöffnet werden.
Seit Mittwoch wurde unter einem verschärften Sicherheitskonzept die Arbeit in der Tönnies-Verwaltung aufgenommen. Schlachtungen und Zerlegungen dürfen jedoch nicht durchgeführt werden. »Die Entscheidung, ob, wann und in welchem Umfang der Betrieb wieder starten kann, wird zwischen allen Beteiligten gemeinsam getroffen. Das Unternehmen ist intensiv eingebunden«, erklärte Rheda-Wiedenbrücks Bürgermeister Theo Mettenborg. An den Überprüfungen in der Schlachtfabrik sind Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Aachen beteiligt. Bisher gilt bis 17. Juli eine Allgemeinverfügung, die den Betrieb der Tierfabrik untersagt. Hygienekonzepte für eine Wiederöffnung, die von Tönnies vorgelegt wurden, überzeugten die Behörden bisher nicht vollständig.
Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) äußerte sich skeptisch, ob Tönnies wirklich am 17. Juli öffnen kann. Damit bringt er die Schweinebauern gegen sich auf. Torsten Staack, Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands, kritisiert den Landrat scharf. Er spricht von einem »Wahlkampf auf dem Rücken der Schweinehalter«. Bundesweit hätten Schweinebauern zu volle Ställe. Gleichzeitig würden die Preise für Schlachtschweine massiv in den Keller gehen. Pro Kilo Schlachtgewicht könnten nur 19 Cent verlangt werden. Der Schweinehalterlobbyist kritisiert, dass vom Landrat »Strukturfragen« in den Raum gestellt würden, anstatt für »kurzfristige Lösungen« zu sorgen.
In andere Strukturen im Zusammenhang mit der Fleischindustrie konnten Arbeitsschützer des Landes Nordrhein-Westfalen aufgrund der Corona-Pandemie tiefere Einblicke bekommen. Es geht um die Unterbringung der Beschäftigten von Werkvertragsfirmen aus der Fleischwirtschaft. Das Bild, das sich Arbeitsschützer bei Kontrollen im Mai machen konnten, ist erschreckend. 650 Unterkünfte, in denen über 5300 Menschen leben, wurden kontrolliert. Dabei wurden fast 1900 Beanstandungen festgestellt. Diese beginnen bei kleinen Problemen wie fehlenden Desinfektionsmitteln oder fehlenden Reinigungsplänen bei gleichzeitiger Überbelegung der Unterkünfte und reichen bis zu Schimmelpilzbefall, Einsturzgefahr, undichten Dächern, katastrophalen Sanitäreinrichtungen, Ungezieferbefall und Brandschutzmängeln.
Vier Wohnungen wurden wegen erheblicher Baumängel und Gesundheitsgefahr geräumt. Zwei davon befanden sich in Gütersloh. Das Arbeitsministerium sieht einen »kausalen Zusammenhang« zwischen »mangelhaften und unwürdigen Unterkünften« und den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie.
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