Vorbereiten auf das Ungewisse

Die Wintersportler wissen immer noch nicht, wie ihre Wettkampfsaison aussehen wird - und üben sich in Gelassenheit

  • Thomas Eßer, Manuel Schwarz und Thomas Wolfer, Siegsdorf
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein abwechslungsreiches Trainingslager hatte Markus Eisenbichler direkt vor der Haustür. Die Alpen in unmittelbarer Nähe, Platz auf dem heimischen Hof und schönes Wetter: So ließ sich die ungewöhnliche Saisonvorbereitung für den Skispringer aushalten. »Ich konnte Rad fahren, und bald schon wieder durfte man auch auf die Berge gehen und klettern«, berichtet der Oberbayer von den ersten Monaten der Coronakrise und klingt dabei keinesfalls wie jemand, der mit Abstandsregeln und ausgefallenen Lehrgängen große Probleme gehabt hätte. Mittlerweile springen Eisenbichler und Kollegen wieder von den Schanzen und feilen an ihrer Form für den Winter mit Skiflug-WM, Vierschanzentournee und Heim-WM in Oberstdorf.

Selbstmotivation ist gefragt

Weit reisen müssen die Adler des Deutschen Skiverbandes (DSV) dafür nicht. Die Alpinsportler hingegen sind darauf angewiesen. Trainingslager in der südlichen Hemisphäre, etwa in Chile oder Neuseeland, sind aber aktuell wegen der Pandemie nicht möglich. »Das fällt alles flach«, sagt Abfahrer Josef Ferstl. »Das ist schade. Aber jetzt sind wir Sportler eben noch mehr gefordert. Jeder muss sich auf seine vier Buchstaben setzen und sich selbst motivieren.«

Das gilt auch für Eisenbichler, der mit der Motivation keine Probleme hat. »Das Feuer ist noch da wie eh und je«, sagt er. Die Zeit in der oberbayerischen Heimat hat er nicht nur zur Verbesserung der körperlichen Fitness genutzt - sie tat ihm auch abseits des Sports gut. »Drei Monate am Stück zu Hause war ich vorher in meiner sportlichen Karriere noch nie«, erklärt er. »Das war sehr angenehm, mal ein bisschen Zeit mit meiner Freundin, meiner Familie und, als das wieder möglich war, auch mit meinen Freunden zu verbringen.«

Abschalten und das Training richtig dosieren: Das scheint dem dreifachen Weltmeister in diesem Jahr besser zu gelingen als im vergangenen Sommer. Die richtige Balance aus Training und Entspannung ist für »Eisei« ein zentraler Erfolgsfaktor. »Ich wollte letztes Jahr schauen, wie weit ich mich noch verbessern kann, habe viel trainiert«, sagt der 29-Jährige. »Irgendwann war es dann aber kein lockeres, entspanntes Training mehr, sondern eher ein Kampf. Man will unbedingt, und dann verkopft man eher. Ich habe gemerkt, dass das nicht funktioniert.« Eisenbichler kam nur schwer in Form und belegte in der vergangenen Saison - nach seinem Traumwinter mit drei Goldmedaillen bei den Weltmeisterschaften in Seefeld - im Gesamtweltcup nur Rang 23.

Negatives ausblenden

Frisch im Kopf und austrainiert will der Siegsdorfer jetzt wieder an seine alten, guten Leistungen anknüpfen. »Es ist schon ein sehr besonderes Jahr mit der Skiflug-WM, die ein großes Ziel von mir ist, und der Heim-WM«, sagt er. Dass wegen Corona Wettkämpfe ausfallen oder ohne Zuschauer stattfinden könnten, darüber versucht er möglichst wenig nachzudenken. Auch andere Wintersportler gehen mit der Unsicherheit im Hinblick auf den kommenden Winter relativ gelassen um. »Ich bereite mich so vor, als würde ein ganz normaler Winter bevorstehen«, sagt Biathlet Arnd Peiffer. »Ich rechne fest damit, dass sich für uns nicht allzu viel ändert.« Man müsse sich auf alles einstellen, meint Ferstl. »Es gibt verschiedene Pläne, etwa Geisterrennen, Quarantänerennen oder weniger Rennen.« Was konkret auf ihn und seine Teamkollegen zukommt, weiß er aber auch noch nicht.

Der Umgang mit der Unsicherheit ist zum einen bemerkenswert, zum anderen bleibt den Athleten auch nicht viel anderes übrig, als wie Eisenbichler das Beste aus der Situation zu machen und sich möglichst normal vorzubereiten. DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier bringt es auf den Punkt: »Wir stellen uns auf jeden Fall auf einen Winter mit Rennen ein«, sagt er. »Von dieser Vorstellung rücken wir nicht ab. Sonst bräuchten wir ja gar nicht trainieren.« dpa/nd

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