Lithium als Nebenprodukt

Batterierohstoff soll in Geothermieanlagen gewonnen werden.

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 4 Min.

Das leichteste metallische Element kommt auf der Erde zwar häufiger vor als beispielsweise Zink oder Blei, ist jedoch deutlich schwerer zu gewinnen. Denn das extrem reaktionsfreudige Alkalimetall liegt in der Erdkruste nur stark verteilt vor. Lange Zeit war das auch kein großes Problem, denn es gab kaum Verwendung dafür. Das änderte sich erst mit der Entwicklung der Wasserstoffbombe, für die die USA anfangs große Mengen Lithium benötigten. Sollten irgendwann tatsächlich kommerzielle Kernfusionsreaktoren in Betrieb gehen, wird auch in ihnen Lithium benötigt.

In der Gegenwart führt allerdings ein ganz anderes, weit weniger umstrittenes Technikgebiet zu wachsender Nachfrage nach Lithium: Batterien, genauer wiederaufladbare Batterien für elektronische Geräte aller Art und zunehmend auch für Autos. Nahezu 40 Prozent der Weltproduktion von Lithium landen inzwischen in den Akkus.

Bislang wird das begehrte Leichtmetall vor allem aus dem Wasser von Salzseen in Südamerika sowie aus einigen Erzvorkommen in Australien, Kanada und Russland gewonnen. Deutschland ist heute bei Lithiumverbindungen Importeur, obwohl die kommerzielle Produktion von Lithium 1923 in Deutschland startete. Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover importierte die BRD 2018 etwa 6000 Tonnen Lithiumkarbonat. Insbesondere in verarbeiteter Form als Akku hat die Menge seither noch deutlich zugenommen. Deshalb versucht die EU seit Jahren, sowohl bei der Produktion von Lithiumionen-Akkumulatoren als auch bei den Rohstoffen dafür eigene Kapazitäten aufzubauen.

Bislang mit mäßigem Erfolg. Eine Erfindung aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) könnte nun aber auch hierzulande eine wirtschaftliche Lithiumgewinnung ermöglichen. Der größte Vorteil des Verfahrens: Es müssen weder neue Bergwerke gebaut werden noch sind energieaufwendige Aufbereitungsverfahren nötig. Das Lithium soll nämlich aus den salzreichen Tiefengewässern des Oberrheingrabens gewonnen werden, das ohnehin bereits in drei deutschen und zwei französischen Geothermieanlagen zirkuliert. Dort sind in drei bis vier Kilometern Tiefe in Thermalwasserreservoiren beträchtliche Mengen an Lithium als Salz gelöst. »Nach unseren Kenntnissen sind es bis zu 200 Milligramm pro Liter«, weiß der Geowissenschaftler Jens Grimmer vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT. In norddeutschen Thermalwässern sind nach seinen Angaben zwar zum Teil noch höhere Lithiumkonzentrationen zu finden, doch wegen der geringeren Fließraten sind die Potenziale an extrahierbarem Lithium pro Bohrung geringer. Außerdem sind die geothermischen Potenziale im Oberrheingraben viel größer, d. h. man muss weniger tief bohren als in Norddeutschland, um Thermalwässer mit geeigneten Temperaturen anzutreffen.

Im Idealfall könnten aus den fünf Geothermieanlagen am Oberrhein circa 1800 Tonnen Lithium im Jahr gewonnen werden. Umgerechnet auf die derzeit gängige Handelsform von Lithium seien das ca. 9600 Tonnen Lithiumkarbonat. Praktisch wäre die Ausbeute allerdings weit kleiner. Zum einen laufen die Anlagen nicht das ganze Jahr, es gibt Unterbrechungen durch Wartungsarbeiten. Und zum anderen - so Grimmer - kann auch das neue Verfahren nicht alles Lithium herausholen. Der Wissenschaftler schätzt, dass man letztlich bei 20 bis 30 Prozent Ausbeute landen wird.

Grimmer entwickelte das neue Verfahren gemeinsam mit Florencia Saravia von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) am Engler-Bunte-Institut (EBI) des KIT. Da derzeit die Patentanmeldung noch läuft, mochte der Wissenschaftler keine Details zum Verfahren preisgeben. Nur soviel: »In einem ersten Schritt werden die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis Lithium als Salz ausgefällt werden kann.« Anders als in den südamerikanischen Salzseen dauert die Extraktion nur wenige Stunden, und da das Thermalwasser anschließend zurück in die Tiefe strömt, werden keine schädlichen Stoffe freigesetzt. Die Anbindung an die Infrastruktur und die Absatzmärkte spart weite Transportwege. Darüber hinaus könnten mit dem Verfahren weitere gefragte Elemente wie Rubidium oder Cäsium aus dem Thermalwasser extrahiert werden.

Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie sind die beiden Wissenschaftler nun dabei, eine Testanlage zur Lithiumgewinnung zu entwickeln. In diesem ersten Prototyp, der in den Thermalwasserkreislauf einer Geothermie-Anlage im Oberrheingraben aufgebaut werden soll, werden zunächst einige Kilogramm Lithiumkarbonat bzw. Lithiumhydroxid gewonnen. Wenn die Versuche erfolgreich sind, ist der Bau einer Großanlage geplant. Möglich wäre dann eine Produktion von mehreren hundert Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr pro Geothermie-Anlage.

Parallel zum KIT plant derzeit auch das australische Start-up Vulcan Energy Resources mit einem eigenen Verfahren eine Pilotanlage an einer Geothermieanlage am Oberrhein. Neben technischen Problemen bei der Umsetzung vom Labor zum Industriemaßstab könnten wachsende Vorbehalte gegen die Geothermie bei Teilen der Bevölkerung einen Ausbau der heimischen Lithiumproduktion durch Errichtung neuer Geothermie-Anlagen bremsen.

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