Von Bomben und Corona

In Gaza ist Corona ausgebrochen und der Konflikt zwischen Hamas und Israel eskaliert

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Nachricht vom Ausbruch von Corona im Gazastreifen wirkte wie ein Schock: Man sei »sehr besorgt«, heißt es im Team des UNO-Sonderkoordinators für den Nahost-Friedensprozess, Nikolaj Mladenov. Und selbst Israels Regierung unterbrach ihren seit Monaten währenden Koalitionskrach, um über die Lage im Gazastreifen zu reden.

Denn dort meldeten die von der Hamas kontrollierten Behörden sowie die Vereinten Nationen Anfang der Woche die ersten beiden offiziellen Corona-Todesfälle sowie 26 weitere Infektionen außerhalb der Quarantäneeinrichtungen, die die Behörden zu Beginn der Pandemie an den Grenzübergängen eingerichtet hatten.

Alle, die aus Ägypten und Israel in den Gazastreifen einreisen wollen, müssen sich in eine streng kontrollierte, zweiwöchige Quarantäne begeben - ein Konzept, das bislang nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation gut zu funktionieren schien, zumal den Menschen im dicht bevölkerten Gazastreifen in Sachen Pandemie nun ausgerechnet die Blockade durch Israel und Ägypten zu Gute kam. Ein Umstand, der von den Bewohner*innen des Landstrichs in den vergangenen Monaten immer und immer wieder mit meist offenem Sarkasmus hervorgehoben wurde.

Nun ist die »Insel der Seligen«, wie sie das Nachrichtenportal des Vatikans in Bezug auf das Virus einst nannte, wahrlich keine mehr, und die Gesundheitsversorger*innen in Gaza-Stadt fragen sich, wie sie eine Infektionswelle bewältigen sollen: »Das Gesundheitssystem in Gaza wird nicht dazu in der Lage sein, mehr als wenige Dutzend Corona-Patienten zu versorgen,« heißt es in einer Stellungnahme von Ignacio Casares Garcia, der beim Internationalen Roten Kreuz für Gaza zuständig ist. Es mangele vor allem an medizinischer Ausrüstung und Medikamenten.

Doch das ist nur ein Teil des Ganzen: Auch die Bereitschaft westlicher Länder, mit Geld und Logistik auszuhelfen, ist gering. Die Mittel und Ressourcen des Roten Kreuzes und seiner örtlichen Organisationen sind am Rande der Belastungsgrenze, mit einfach zu viele Krisen an zu vielen Orten. Viele Hilfsorganisationen wie auch die Vereinten Nationen schaffen es derzeit nicht, die benötigten Mittel für den Jemen, für Syrien, für Gaza zusammen zu bekommen. Bei Geberkonferenzen werden derzeit regelmäßig nur im Schnitt 30 Prozent der benötigten Gelder ausgelobt. Und davon wird auch noch nur ein Teil tatsächlich bezahlt.

Im Gazastreifen verhängten die Behörden zunächst einen zweitägigen Lockdown, der nun bis Sonntag verlängert wurde. Verschärft wird die Situation durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie: Das Kraftwerk von Gaza ist seit einer Woche außer Betrieb, weil der Treibstoff ausgegangen ist. Neue Lieferungen kann die Hamas derzeit nicht bezahlen, weil die offizielle palästinensische Regierung im Westjordanland der Hamas schon vor mehr als einem Jahr den Gaza-Anteil an Steuer- und Zolleinnahmen nicht mehr überweist. Und auch Hilfszahlungen aus Katar, dessen Regierung in der Vergangenheit immer wieder in Notlagen einsprang, bleiben nun aus.

Zusätzlich eskaliert auch noch die Lage zwischen Israel und den militanten Gruppen im Gazastreifen: Mehrere Ballons, an denen Sprengsätze befestigt waren, gingen auf israelischem Gebiet nieder. Auch Raketen wurden abgeschossen. Israels Luftwaffe flog in der vergangenen Woche mehrere Angriffe auf Ziele in Gaza und droht mit weiteren, falls sich die Lage nicht wieder beruhigt.

Trotzdem bemüht man sich um Zurückhaltung. Denn auch Israel hat kein Interesse daran, dass sich das Virus unkontrolliert im Gazastreifen ausbreiten kann. Zu nah liegt der dicht bevölkerte Landstrich an den israelischen Bevölkerungszentren, und zu durchlässig ist die Grenze trotz der Blockade. Denn immer wieder werden Tunnel unter der Grenze durch gegraben - zudem pendeln auch mehrere Hundert Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen zwischen Israel und Gaza.

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