Sommer der Befreiung

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Berlin. Robert Capa (1913-1954) ist einer der größten Kriegsfotografen des 20. Jahrhunderts: Seine Bilder haben weltweit das visuelle Gedächtnis geprägt. Als Endre Ernö Friedmann in Budapest geboren, flieht Capa 1931 vor dem faschistischen Regime Ungarns nach Berlin, wo seine Karriere in der später legendären Fotoagentur Dephot von Simon Guttmann ihren Anfang nimmt. Weitgehend unbekannt blieben die über 500 Fotos, die Robert Capa im Sommer 1945, in US-amerikanischer Uniform, in der Hauptstadt aufnahm: ein distanzierter Blick auf die befreite, zerstörte Stadt und ihre Menschen.

Das Centrum Judaicum der Neuen Synagoge zeigt vom 10. September bis zum 9. Mai 2021 insgesamt 120 Fotografien aus Capas Berlin-Konvolut. 75 Jahre nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus werden diese damit zum ersten Mal zu sehen sein. Die Ausstellung folgt Capa in seinem imaginierten fotografischen Streifzug durch die Stadt: von West nach Ost, vom Kurfürstendamm zum Boulevard Unter den Linden, vom Bahnhof Zoo entlang des Tiergartens zum Brandenburger Tor, Alexanderplatz und Potsdamer Platz. Der Blick des Fotografen gilt weniger den Ruinen als vielmehr dem Leben, das darin stattfindet. Das (noch) einträchtige Feiern der Siegermächte im Tanzcafé Femina ist ebenso Motiv seiner Bilder wie spielende Kinder auf ausgebrannten Kriegsfahrzeugen.

Man sieht ehemalige Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, überlebende Tiere des Berliner Zoos und Menschen, die nach Lebensmitteln und Zeitungen anstehen. Auftraggeber war das Life-Magazin, das an zwei Ereignissen besonders interessiert ist: dem Schwarzmarkt vor dem Brandenburger Tor und dem ersten jüdischen Neujahrsfest, Rosch-Ha-Shana, nach Kriegsende, dessen Feier Capa am 9. September 1945 dokumentiert. Zahlreiche Aufnahmen macht Capa auch von der ersten großen antifaschistischen Kundgebung im Nachkriegs-Deutschland, die am selben Nachmittag in Neukölln stattfindet. Im Bild zu sehen ist das Café Kranzler am Kurfürstendamm 18/19 Ecke Joachimsthaler Straße, in Charlottenburg.

Die Ausstellung wird in Kooperation mit dem Robert-Capa-Archive des International Center of Photography, New York gezeigt. Dazu erscheint ein Begleitband mit einer Auswahl von 60 Fotografien aus dessen Bestand. nd

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