Dreistelliger Millionenbetrag fehlt

Planungsgelder für Bahn-Ausbauprogramm i2030 noch nicht im Berliner Haushalt eingestellt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kapazität des Schienennetzes in Berlin und Brandenburg reicht schon jetzt an vielen Stellen oft nicht, um die Pendler komfortabel und pünktlich an ihr Ziel zu bringen. Und politisches Ziel ist es, dass immer mehr Menschen die Bahn statt des Autos nutzen. Abhilfe soll das gemeinsam von der Deutschen Bahn und den beiden Ländern vereinbarte Infrastruktur-Ausbauprogramm i2030 schaffen. Doch nun drohen fehlende Haushaltsmittel das Programm weiter zurückzuwerfen. 141,4 Millionen Euro werden im Haushaltsjahr 2021 benötigt, ist einer internen Präsentation zu entnehmen, die »nd« vorliegt. Weitere knapp 50 Millionen Euro, die bereits dieses Jahr benötigt werden, sind zwar für den zweiten Nachtragshaushalt 2020 angemeldet, allerdings noch nicht bewilligt. Zunächst hatte die »Berliner Zeitung« berichtet.

Der größte Batzen sind die Planungen für viele kleinteilige Ausbauten der S-Bahn für mehr Kapazität und die Ausdehnung des 10-Minuten-Taktes nach Bernau, Königs Wusterhausen, Oranienburg und Strausberg. Dazu gehört auch das Planungsgeld für die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn zwischen Jungfernheide und Gartenfeld, die der Senat dem Siemens-Konzern für das Entwicklungsprojekt Siemensstadt zugesagt hat.

»Wir sind überrascht über den späten Zeitpunkt dieser hohen Haushaltsanmeldungen«, sagt Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion, zu »nd«. »Ich werde mich bei den Haushältern dafür einsetzen, dass die notwendigen Mittel für unaufschiebbare Dinge, bei denen ansonsten eine unvertretbare Verzögerung eintreten sollte, bewilligt werden.«

»Es ist sehr ärgerlich, dass die Finanzbedarfe nicht schon im November zu den ordentlichen Haushaltsberatungen vorgelegen haben«, sagt der SPD-Abgeordnete Sven Heinemann zu »nd«. Auch für ihn als Mitglied des Hauptausschusses »ist klar, dass i2030 finanziert werden muss. Das Programm darf keine lahme Ente werden.« Dieses »Durcheinander« rührt in seinen Augen daher, dass in der Verwaltung von Senatorin Regine Günther (Grüne) nicht alle Verkehrsträger gleich behandelt würden. »Unsere Ziele werden ohne den Öffentlichen Personennahverkehr nicht umsetzbar sein, er muss die gleiche Priorität wie auch das Fahrrad haben«, erklärt Heinemann.

Gegen diesen Vorwurf verwahrt sich Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrsverwaltung: »Der ÖPNV ist absolut, zeitlich, politisch und finanziell, der Schwerpunkt der Mobilitätswende und auch der Arbeit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.«

Die Senatsverwaltung bewertet den Vorgang indes komplett anders. »Im laufenden Verfahren ist es eine eher lobenswerte Tatsache, dass auch immer wieder Zwischenergebnisse festgehalten und mit der Koalition zusammen erörtert werden. Hiermit wird dem Finanzgesetzgeber für das immens große Infrastruktur-Investitionsprogramm frühzeitig angekündigt, welche Summen als Bedarfe anliegen«, heißt es auf nd-Anfrage. Es handele sich bei den 141,4 Millionen Euro um eine sogenannte Nachschiebeliste. Dass inzwischen genauere Zahlen für die weiteren Leistungsphasen vorliegen, »entspricht einer durchaus üblichen Verfahrensweise«, so die Verwaltung. Die Summe sei »keineswegs ›spontan aufgeploppt‹, vielmehr schreiten die Planungen für i2030 gut voran und die Gestaltung des schienenseitigen Ausbaus wird konkreter«.

Tatsächlich ist die Zeitschiene für den Ausbau der Schieneninfrastruktur bereits ohne mögliche zusätzliche Verzögerungen aufgrund fehlenden Planungsgeldes äußerst lang. Zum Teil erst Ende der 2030er Jahre sollen wichtige Projekte fertiggestellt sein.

Bereits bei einer Anhörung im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses Ende August hatte Stephan Wilhelm vom Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg Vorschläge zur Beschleunigung gemacht. Zum Beispiel den Abschluss von Sammelfinanzierungsvereinbarungen für mehrere Projekte, wie es andere Bundesländer auch machten. »Manchmal ist es so, dass Planungen auch stocken, dass Baugrunduntersuchungen erforderlich sind«, so Wilhelm. Dann könne ein anderer Bahnkorridor durch Beschluss des Lenkungskreises stattdessen forciert werden.

»Es müssen auch politische Entscheidungen getroffen werden«, fordert Sven Heinemann. Bei der Potsdamer Stammbahn, die bei Wiederinbetriebnahme Berlin auf geradem Weg über Zehlendorf direkt mit Potsdam verbinden könnte, sei eben nicht mehr die S-Bahnvariante zu prüfen, sondern gleich von einer Regionalbahnstrecke auszugehen.

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