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Überall Nazis, nirgends Aufklärung

Neue NSU-2.0-Drohmails, Soldaten und Polizisten in rechter Security-Firma: Die Reihe von Skandalen reißt nicht ab.

Donnerstagabend in Essen. In der Nähe der Innenstadtwache der Polizei hält die Antifa eine Kundgebung ab. Die Linken wollen auf die neonazistische Chatgruppe von Polizisten aus Essen und Mülheim aufmerksam machen. Rund um die mit 80 Menschen nicht gerade große Kundgebung stehen Polizisten. Ihre Helme tragen sie am Gürtel, Kameras sind auch zu sehen. Die Wache ist von zahlreichen Mannschaftswagen umstellt.

Die Demonstranten haben viel zu sagen. Zwei Migranten wurden in den letzten Jahren in Essen von Polizisten erschossen, die Umstände waren jeweils mehr als fragwürdig. Auch Beschwerden über rassistische Gewalt durch Polizisten gab es dort in der Vergangenheit häufig. Doch den Menschen bei der Kundgebung geht es nicht nur um die Ruhrgebietsstadt. Antifagruppen aus Dortmund und Bonn weisen auf die Ausweitung polizeilicher Befugnisse durch neue Polizeigesetze in zahlreichen Bundesländern und auf rechte Netzwerke in der Bundeswehr hin.

Kundgebungen wie die in Essen könnte es demnächst öfter und an vielen Orten geben. Denn am Donnerstagabend wurde auch bekannt, dass es weitere mit »NSU 2.0« unterzeichnete Drohschreiben an Politiker und Prominente gab; dass eine private Sicherheitsfirma – in der Polizisten und Soldaten im Nebenjob tätig waren – offen mit dem Nationalsozialismus sympathisiert und dass ein Personenschützer von Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang Mitglied des von dem Nachrichtendienst beobachteten Vereins Uniter ist.
Von den NSU-2.0-Drohungen war unter anderem Satiriker Jan Böhmermann betroffen, er hat die Mail schon im Sommer erhalten. Während die meisten Drohschreiben nach Datenabfragen aus hessischen Polizeirevieren abgeschickt wurden, erhielt Böhmermann wenige Tage, nachdem seine Daten von einem Computer der Berliner Polizei abgefragt wurden, eine Mail.

Weit größer ist der Skandal, den das ARD-Magazin »Kontraste« und der »Spiegel« um die Firma Asgaard Security aufdeckten. Asgaard ist ein hochprofessionelles Sicherheitsunternehmen, wirbt ehemalige Angehörige von Spezialeinheiten der Bundeswehr und der Polizei an. Diese werden oft im Ausland eingesetzt. Im Asgaard-Hauptquartier im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad soll es zahlreiche NS-Devotionalien gegeben haben: Wehrmachtsbilder, eine Reichskriegsflagge im Aufenthaltsraum. Ein ehemaliger Mitarbeiter wirft dem Asgaard-Chef Dirk G. Sympathie mit dem Nationalsozialismus vor. G. weist all das zurück. Dabei existiert sogar ein Bild, das ihn mit einer kleinen Wehrmachtsstatue zeigt. Bei einem Treffen in der Asgaard-Zentrale im westfälischen Hamm war ein Polizist aus Hessen zu Gast, der für die Firma in Bagdad im Einsatz gewesen sein soll. Er soll Daten von Polizeicomputern abgerufen haben. Inzwischen wird gegen ihn ermittelt. Ein anderer Teilnehmer des Treffens war der aktive Soldat Matthias D. Anfang der Woche gab es eine Durchsuchung bei ihm, in der Nähe von Neubrandenburg. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt. Asgaard-Chef Dirk G. soll mehrfach von einem »Tag X« gesprochen und die Linke-Bundestagsabgeordnete Martina Renner als Person genannt haben, die »eliminiert« werden müsse.

Im Verein Uniter wiederum sind Spezialkräfte von Bundeswehr und Polizei vernetzt und lassen einander Jobs zukommen. Auch von Uniter-Mitgliedern sind Planungen für einen Tag des Umsturzes bekannt. Publik geworden sind unter anderem Schießübungen von Uniter-Aktiven. Seit einigen Monaten ist der Verein »Prüffall« des Verfassungsschutzes. Nach Recherchen des »Focus« könnte der Personenschützer des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Zugriff auf sensible Daten gehabt haben.

Derweil bekräftigte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Freitag, er sehe keine Notwendigkeit für eine Studie zu rechten Einstellungen in der Polizei.

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