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Zurück an die Basis, Genossen!

Genossenschafter vernetzen sich für eine gemeinwohlorientierte Wohnraumversorgung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

»Die Werte der ursprünglichen Genossenschaftsbewegung - Selbstverwaltung und Solidarität - wieder zur Richtschnur der Wohnungsgenossenschaften zu machen und stärker in die Öffentlichkeit zu bringen«: Dafür soll der Alternative Genossenschaftstag der Auftakt sein, der diesen Freitagabend mit einer online übertragenen Podiumsdiskussion beginnt. Für den Samstag sind vier verschiedene Workshops angesetzt, eine Abschlussveranstaltung unter freiem Himmel steht noch unter Wettervorbehalt.

»Die Genossenschafts-Dachverbände haben auf eine Art und Weise gegen den Mietendeckel agitiert, der zeigt, wie weit sie sich von der Basis entfernt haben«, sagt Ralf Hoffrogge, selbst Genossenschaftsmitglied und aktiv bei der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. »Viele Mitglieder haben daraufhin verstanden, dass sie nicht mehr repräsentiert werden«, so der Mitinitiator des Alternativen Genossenschaftstages.

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Mehrere Offene Briefe wurden daher im vergangenen Jahr aufgesetzt, einer auch vom ehemaligen Berliner Integrationsbeauftragten Günter Piening unter anderem an den Verein der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland sowie den Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Die Unterzeichner und Autoren drückten ihr Unverständnis darüber aus, dass die Verbände sich »zu Wortführern der Verteidiger dieses enthemmten Marktes machen«.

»Über die Briefe haben sich kritische Genossenschafter*innen stärker untereinander und mit der Mieterbewegung vernetzt«, berichtet Günter Piening, wie Hoffrogge einer der Initiatoren, die sich den Namen »Die Genossenschafter*innen« gegeben haben. »Im weitesten Sinne geht es um die Demokratisierung von Genossenschaften«, erläutert Piening, der Mitglied der Genossenschaft Möckernkiez ist. »Wie können wir die Verkrustungen aufbrechen und sie stärker den Zielen Solidarität und Selbstverwaltung verpflichten?«

»Ich wohne in einem Hausprojekt in Kreuzberg, ich habe die Genossinnenschaft Schokofabrik mitgegründet. Selbstverwaltung ist Teil meines Lebensentwurfs«, sagt Bea Fünfrocken. Sie hatte ihren »Genossenschafts-Schockmoment« 2015. Damals hatte sie angefangen, im Projekt Xenion Geflüchtete bei der Wohnraumsuche zu unterstützen. »Ich habe dafür auch Genossenschaften angefragt und bin völlig auf die Nase gefallen. Es war mir nicht klar, wie konservativ viele davon sind«, berichtet sie. Eine tolle Erfahrung sei jedoch die Genossenschaft Am Ostseeplatz gewesen, bei der sie seit zwei Jahren Aufsichtsrätin ist. »Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie ganz explizit das Anliegen hat, experimentelle Wohnmodelle auf den Weg zu bringen«, sagt Fünfrocken.

»Für mich sind Genossenschaften ganz originäre Verbündete bei der sozialen Frage«, so Fünfrocken. Mit an die 200 000 Wohnungen in Berlin spielen sie eine wichtige Rolle in der Wohnraumversorgung. Doch sie müssten mehr tun, meint Fünfrocken. »Der Zuzug in die Metropolen schlägt sich in den Genossenschaften praktisch nicht nieder. Die meisten sind eine Veranstaltung der deutschen Mittelschicht«, kritisiert sie und schildert den Fall eines Dachdecker-Azubis, der Mitglied einer Genossenschaft ist und sich dort um eine Wohnung beworben hatte. »Die haben gesagt, er soll wiederkommen, wenn er eine Arbeit hat«, berichtet sie empört.

»Bei den Vorständen einzelner Genossenschaften ist die Lage eher durchwachsen, manche agieren wie Vertreter der Immobilienindustrie, andere handeln mitgliedernah«, erklärt Ralf Hoffrogge.

Unverständnis gibt es durchaus auf beiden Seiten. »Es gibt Bewegungen, die die Basisdemokratie zurückfordern«, beklagte Jörg Wollenberg, kaufmännischer Vorstand der Berliner Baugenossenschaft, im Dezember 2019 bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus. »Damit müssen wir uns tagtäglich auseinandersetzen.« Bei den Mitgliedern werde »der Eindruck erweckt, dass wir etwas falsch gemacht haben in den letzten Jahren«.

»Gerade die Altgenossenschaften haben große Rücklagen aufgebaut, sie sitzen auf Millionen. Sie nutzen sie nicht, obwohl in den letzten zwei Jahren Förderungen vom Senat aufgebaut worden sind. Dabei könnten sie so ähnlich günstige neue Bestände aufbauen wie die kommunalen Unternehmen«, kritisiert Günter Piening. »Und sie müssen auch akzeptieren, dass Fördermittel bedeuten, dass ihnen bei der Belegung der Wohnungen reingeredet wird.«

Für Bea Fünfrocken ist klar, dass aus Überschüssen auch ohne Fördermittel vergünstigte Wohnungen für besondere Gruppen zur Verfügung gestellt werden müssen. »Dann sind es vielleicht nicht Hunderte, aber wenigstens ein paar pro Genossenschaft. Auch das ist ein Zeichen«, sagt sie.

»Die Zustände lassen sich nur beheben, wenn Genossenschaftsmitglieder selber aktiv werden. Wir wollen sichtbar machen, dass Genossenschaften eben aus der Summe ihrer Mitglieder bestehen«, erklärt Ralf Hoffrogge. Er ist froh, dass der Alternative Genossenschaftstag überhaupt stattfinden kann - wenn auch kleiner als erhofft. »Corona ist ein Riesenhindernis für so eine Veranstaltung. Die Pandemie ist eine Plage für basisdemokratische Politik und ein Geschenk für Lobbypolitik am Grünen Tisch«, so Hoffrogge.

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