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Verbrecherjagd ohne Personal
Deutschland hat ein Geldwäscheproblem – aber nicht bei Banken.
Masken waren zu Beginn der Corona-Pandemie in Europa Mangelware. Daher griffen die Behörden in Nordrhein-Westfalen zu, als ihnen eine Schweizer Vertriebsfirma im März mehrere Millionen Stück anbot. Der Chef der Firma, damals im oberbayerischen Homeoffice, leistete bei dem angeblichen Hersteller eine siebenstellige Anzahlung auf ein irisches Konto. 52 Lkw warteten in einem Hafen in den Niederlanden aber vergeblich auf die Ware. Der Geschäftsmann stellte Anzeige. Ermittlungen einer Spezialeinheit aus Traunstein ergaben, dass Teile des Geldes bereits auf Konten von Mittelsmännern in den Niederlanden gelandet waren. Diese wurden wegen Geldwäsche verurteilt, die Hintermänner wurden jetzt in Nigeria festgenommen.
Der Fall zeigt, wie komplex kriminelle Aktivitäten sind und dass Banken das Vehikel sind, um Schwarzgeld in Umlauf zu bringen. Die Anfang der Woche veröffentlichten, älteren Dokumente einer US-Behörde belegen, dass Institute, darunter die Deutsche und die Commerzbank, ihren Pflichten beim Aufspüren unzureichend nachkamen und verdächtige Vorgänge teils mit jahrelanger Verspätung meldeten. Daher wird jetzt der Ruf nach strengerer Bankenregulierung laut.
Ob dies nötig ist, lässt sich nicht pauschal sagen, da die Situation in jedem Land anders ist. Seit den Anschlägen des 11. September 2001 in New York werden weltweit die Zügel angezogen. Denn Geldwäsche betreiben nicht nur die üblichen Mafiabanden und Steuerhinterzieher, sondern auch terroristische Gruppen. Deutschland ist wegen seiner wirtschaftlichen Größe und der internationalen Vernetzung ein beliebtes Ziel. Der Kriminologe Kai Bussmann von der Universität Halle-Wittenberg schätzt die Summe des gewaschenen Geldes auf 50 bis 100 Milliarden Euro im Jahr. Bei der Bekämpfung steht die Bundesrepublik sehr schlecht da; selbst Ermittler nehmen das böse Wort vom »Geldwäscheparadies« in den Mund.
Schauen also die Banken weg? Das kann man nicht mehr sagen: 114 914 Verdachtsmeldungen wegen Geldwäsche gingen im Jahr 2019 bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) ein - etwa 20 Mal so viele wie vor zehn Jahren -, 98 Prozent davon kamen von Banken. Viele Mitarbeiter beackern dort dieses Feld, Algorithmen helfen bei der Suche nach verdächtigen Geldbewegungen. Natürlich tun die Geldhäuser dies nicht aus freien Stücken, sondern wegen staatlicher Vorgaben, so dass es bei Filialen im Ausland womöglich anders aussieht. Hierzulande greift das Geldwäschegesetz, das EU-Richtlinien umsetzt und mehrfach reformiert wurde, zuletzt Anfang 2020. Neue EU-Regeln sind ebenfalls in Vorbereitung. Die Geldwäschebeauftragten der Banken können sogar persönlich belangt werden, wenn sie einen Verdachtsfall nicht vorschriftsmäßig melden. Offenbar überschütten Banken daher die beim Zoll angesiedelte FIU mit Meldungen. »Wir könnten viel effizienter arbeiten, wenn wir genauer wüssten, wonach wir eigentlich suchen sollen«, heißt es beim Branchenverband BdB.
Allerdings landet nur ein Bruchteil der Fälle letztlich bei den Strafverfolgungsbehörden. Zehntausende unbearbeitete Meldungen stapelten sich bei der Zentralstelle, wie der Linke-Finanzexperte Fabio De Masi im Jahr 2018 enthüllte. Vor allem studentische Hilfskräfte bearbeiteten damals die per Fax eingereichten Meldungen, da die Software nicht funktionierte und es an qualifiziertem Personal fehlte. Das Personalproblem hat sich bis heute nur etwas abgeschwächt und es setzt sich fort auf der nächsten Ebene, den Schwerpunktstaatsanwaltschaften in den Ländern.
Fast keine Meldungen kommen bis heute aber von Berufsgruppen, die womöglich wichtiger bei der Geldwäscheaufdeckung sind als Banken, die ihre Kunden oft nicht persönlich kennen: Immobilienmakler, Notare, Anwälte, Gold-, Kunst- und Autohändler. Hier sind die Regeln lax, und die Gewerbeaufsicht bei den Ländern mangelhaft. Im Unterschied zu den meisten Industrieländern können hierzulande Immobilien oder Luxusautos immer noch gefahrlos mit dem Geldkoffer bezahlt werden. Zunehmend wichtiger werden zudem Käufe mit Kryptowährungen wie Bitcoin, bei denen Banken nicht dazwischengeschaltet sind.
Gerade der hiesige Immobilienbereich ist ein Tummelplatz für Geldwäscher. Zwar müssen Notare die Identität des Käufers prüfen. Im Grundbuch kann aber nach wie vor eine anonyme Firma eingetragen werden, deren wirtschaftlich Berechtigter unklar ist.
Es gibt noch viele andere Baustellen. Und so zitterte die Bundesregierung angesichts der geplanten Überprüfung durch die Financial Action Task Force (FATF). Experten des bei der OECD angesiedelten Gremiums zur Verhinderung von Geldwäsche sollten eigentlich im März die Arbeit beginnen. Corona machte dem einen Strich durch die Rechnung. Frühestens im Herbst soll es nun losgehen, mit Ergebnissen ist nicht vor Oktober 2021 zu rechnen. Bei der letzten Prüfung vor zehn Jahren lautete das Ergebnis, dass »Deutschland für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anfällig ist«. Trotz einzelner Erfolge wie in Traunstein hat sich daran wenig geändert.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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