Gorleben und das Endlager

Über Jahrzehnte gab es nur einen möglichen Standort in Deutschland. Der Widerstand gegen die Pläne hatte einen genauso langen Atem

  • Raimar Paul
  • Lesedauer: 2 Min.

22. Februar 1977: Niedersachsens Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) benennt Gorleben (Landkreis Lüchow-Dannenberg) als Standort für ein »Nukleares Entsorgungszentrum«. Außer dem Endlager sollen auf zwölf Quadratkilometern Fläche eine nukleare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) und weitere Atomfabriken entstehen.

12. März 1977: Tausende Atomkraftgegner aus der ganzen Bundesrepublik demonstrieren zum ersten Mal in Gorleben gegen den geplanten Bau des Atommülllagers.

März 1979: Landwirte aus dem Wendland ziehen in einem Treck nach Hannover. Zur Abschlusskundgebung kommen 100 000 Demonstranten - eine der größten Protestveranstaltungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Albrecht erklärt den Bau einer WAA für nicht durchsetzbar. Allerdings wird der Salzstock weiter daraufhin untersucht, ob er für ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll geeignet ist.

Mai-Juni 1980: Atomgegner besetzen die Bohrstelle 1004 im Gorlebener Wald, errichten ein Hüttendorf und rufen die »Republik Freies Wendland« aus. Nach einem Monat räumt und zerstört ein Großaufgebot der Polizei das Dorf.

26. April 1986: Im ukrainischen AKW Tschernobyl explodiert Reaktor Nummer 4. Der weltweit erste Super-GAU macht deutlich, welche Gefahren von der Atomenergie ausgehen. In Deutschland wird diese Form der Stromerzeugung noch unpopulärer.

25. April 1995: »Tag X«: Erster Castortransport in das in Gorleben errichtete oberirdische Zwischenlager. Es gibt massive Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten. Bis zum Jahr 2011 rollt nun fast jährlich ein Transport ins Wendland. Kritiker befürchten, dass damit Fakten geschaffen werden und Gorleben als Endlagerstandort festgelegt ist.

1. Oktober 2000: Beginn eines zunächst zehnjährigen »Moratoriums« bei der Erkundung des Salzstocks Gorleben.

März 2011: Ein Erdbeben und ein Tsunami lösen im AKW Fukushima eine Katastrophe aus. Zehntausende Menschen müssen die Region verlassen. In der Folge beschließt der Bundestag den Atomausstieg bis 2022.

27. Juli 2013: Weil die Suche nach einem Endlager neu starten soll, werden die Erkundungsarbeiten in Gorleben beendet.

5. Mai 2017: Das Standortauswahlgesetz tritt in Kraft. Die Bundesregierung verspricht eine ergebnisoffene, wissenschaftsbasierte und transparente Endlagersuche. Als Wirtsgestein kommen Steinsalz, Ton und Granit infrage.

1. Januar 2018: Das Bergwerk Gorleben geht in den »Offenhaltungsbetrieb« über: Die Erkundungsbereiche werden gesperrt, die Maschinen nach oben geholt, die Schächte werden aber nicht zugeschüttet. Das Bergwerk wird schlafen gelegt, nicht aber beerdigt.

28. September 2020: Die Bundesgesellschaft für Endlagerung gibt bekannt, welche Standorte für ein Endlager infrage kommen. Gorleben ist nicht mehr dabei. RP

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