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Falsches Spiel mit der Angst

EINWURF: Alexander Ludewig kritisiert die verlogene Sorge der Fußballklubs um ihre Nationalspieler

Wenn ein Bundesligamanager sagt, es sei »ein Unding, Spieler in Risikogebiete zu schicken«, könnte man dahinter Wohlwollendes vermuten. Da es sich bei Stefan Reuter vom FC Augsburg aber nun mal um einen Vertreter des Profifußballs handelt, ist derlei Aussagen zu Reisen von Nationalspielern zu Länderspielen in Coronazeiten fast zwangsläufig mit Misstrauen zu begegnen. Und ja, die Skepsis ist berechtigt. Eine Bestätigung dafür zu finden, fällt auch nicht schwer. Jochen Saier, Sportvorstand vom SC Freiburg, formuliert es wie Reuter, nur deutlicher und stellvertretend für alle: »Es kann nicht sein, dass wir Spieler abstellen, die danach für uns Klubs in der Bundesliga nicht einsatzfähig sind.«

Die Sorge um die Gesundheit der Fußballer und deren Familien stand schon im Mai nicht im Vordergrund, als die Bundesliga trotz Shutdown und kritischer Spielerstimmen wieder startete. Damals ging es ums Geld. Jetzt ebenso - in Form des Vorteils im eigenen Wettbewerb. Neu ist der Streit zwischen Klubs und Nationalteams auch nicht. Besonders schäbig aber ist es, eine reale gesellschaftliche Gefahr und damit verbundene Sorgen und Ängste zu instrumentalisieren.

Würde das Coronavirus nicht gerade die ganze Welt beschäftigen, würden die Fußballklubs, wie sonst üblich, die hohe Belastung ihrer Spieler zur Kritik an den Länderspielen nutzen. Über den Sinn der von der Uefa neu eingeführten Nations League kann man natürlich diskutieren, dann aber bitte ehrlich. Wie verlogen dass die Fußballklubs machen, zeigt deren mächtige europäische Interessenvereinigung ECA. Nachdem Uefa-Präsident Aleksander Ceferin das in der Coronazeit zwangsweise erfundene Finalturnier der Champions League als interessantes Modell für die Zukunft vorgeschlagen hatte, ließ die Antwort der ECA nicht lange auf sich warten: »Wir wollen mehr Spiele, nicht weniger. Wenn wir die Anzahl der Spiele reduzieren, würde das einen Verlust der Einnahmen bei den Tickets und TV-Rechten bedeuten.«

Ungefähr 150 Fußballer aus der Bundesliga sind gerade bei ihren Nationalteams. Bei Weltmeisterschaften wirbt die Bundesliga mit dieser enormen Präsenz für sich, normale Länderspiele scheinen ihr lästig. Aber: Wer das eine will, sollte das andere zumindest akzeptieren. Wenn ein Verein einen guten Spieler holt, kauft er auch wissentlich die Verpflichtung mit, ihn selbst für Freundschaftsspiele gegen San Marino freigeben zu müssen.

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