Der Schwurbler

Schlagerstar Michael Wendler ist nun auch ein Coronaverharmloser

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Über den kulturellen Wert von im Takt eines Discofoxes gehaltenen Liedgutes dürfen sich Deutschlands Feuilletonisten streiten – für die Meinung der »FAZ« oder »Süddeutschen« interessierte sich einer wie Michael Wendler ohnehin nie. Gleichzeitig aber lebt der Schlagersänger in einer symbiotischen Beziehung mit dem boulevardesken Teil der Medienwelt. Mag das künstlerische Talent des 48-Jährigen überschaubar sein, so gleicht er fehlendes musikalisches Können durch penetrante Selbstvermarktung aus.

Genau deshalb spricht »der Wendler« über sich selbst meist in der dritten Person. Er versteht sich als Gesamtkunstwerk, aufgebaut auf dem übergroßen, aber ebenso fragilen Ego eines Männertyps, der sich vehement den Veränderungen in der Welt verweigert. Ganz besonders all jenen, die seine Vormachtstellung gefährden.

Im musikalischen Subgenre der Bierzelt- und Ballermannhits ist dieser Testosteron überfrachtete Alphamann eine sichere Bank für kommerziellen Erfolg, auch wenn die Konkurrenz groß ist. Dafür hält sich der Wendler seit über zwei Jahrzehnten überraschend wacker im Diskoschlagergeschäft. Zuletzt brachte ihn seine Omnipräsenz in den Klatschspalten nicht nur den Jurorenplatz in einer Castingsendung ein, sondern auch noch einen Werbevertrag mit einer großen Einzelhandelskette.

Letztere musste ihre neue Kampagne am Donnerstag abrupt beenden, weil der Wendler sich mit Attila Hildmann einen neuen, besten Freund gesucht hat. Der Koch textete ihn offenbar solange mit Verschwörungsideen rund um das Coronavirus zu, dass der bisher unpolitische Schlagersänger einen Erweckungsmoment erlebte. Via Videobotschaft ließ er seine Fans im klarsten Rechtsaußensprech wissen, dass er seinen Juryjob bei RTL hinschmeiße, weil die Medien in Deutschland »gleichgeschaltet« seien. Statt im Privatfernsehen kann man dem Wendler jetzt über den Nachrichtdienst Telegram bei der Zerstörung seiner Karriere zusehen.

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